Radverkehr in Düsseldorf Hier folgt gar nichts, schon gar kein Radweg
Düsseldorf · „Fortsetzung folgt“: Ein völlig sinnloses Schild wurde an der Aachener Straße in Düsseldorf aufgestellt.
Wenn ich irgendwo lese, dass eine Fortsetzung folgt, erzeugt das immer Spannung. Das habe ich früh gelernt in den Serien meiner Kindheit, die immer dann abbrachen, wenn es gerade um alles ging, wenn es dead or alive hieß, do or die, jetzt oder nie. Ich saß dann immer ganz vorne auf der Sesselkante und knabberte meine Fingernägel so weit herunter, dass manchmal schon ein bisschen Blut floss. Cliffhanger nennt man das in der Fernsehsprache und meint damit den Effekt, dass man jemanden mit einer Hand an einem Felsen hängen sieht und fürchtet, er könne jeden Moment in die Tiefe stürzen. Und just im Moment der größten Angst, des ultimativen Mitgefühls schalten diese gemeinen Typen vom Fernsehen ab.
Am gemeinsten fand ich es, wenn dann auch noch eine sonore Stimme scheinheilig fragte, ob der Held wohl überleben werde. Man konnte dieser Stimme jedes Mal anhören, dass sie genau wusste, dass der Held überleben würde, dass sie es aber cool fand, alle da draußen vor den Fernsehern zu verunsichern, quasi süchtig zu machen. Wer wissen wollte, ob der Held wirklich weiter Held sein durfte, musste eine ganze Woche ausharren, wenn auf dem Bildschirm die Inschrift „Fortsetzung folgt“ erschien.
Cliffhanger sind noch heute ein gängiges Mittel, aber die meisten medienerfahrenen Menschen nehmen sie inzwischen mit großer Gelassenheit zur Kenntnis. Da werden keine Fingernägel mehr abgekaut, wenn am Ende der „Lindenstraße“ jemand bedeutungsschwanger in die Kamera stiert und die Geigen sich in der Hysteriespirale ganz nach oben streicheln lassen. Irgendwas ist halt immer, und mit „Fortsetzung folgt“ lockt man heute kaum noch einen toten Hund hinter dem erkalteten Ofen hervor.
Allerdings kann man mich mit der Formulierung zum Anhalten zwingen. So kürzlich geschehen auf der Aachener Straße. Dort radelte ich gut gelaunt stadteinwärts und erfreute mich der aufgezeichneten Radwege, die nur alle 50 Meter von irgendwelchen Lieferfahrzeugen belegt waren, mich aber ansonsten separierten vom Restverkehr.
Zum Stopp kam ich aber kurz vor dem Bilker Bahnhof. Gerade hatte ich noch bemerkt, dass die Radwegstreifen ein Ende hatten, da sprang mich ein Schriftzug an. „Fortsetzung folgt“ stand darauf, und ich blickte mich unwillkürlich um, weil ich sehen wollte, ob irgendwo ein Held in Not am Felsen hängt. Ich sah nichts.
Ich näherte mich dann dem Schild, und als ich unmittelbar davorstand, konnte ich tatsächlich entziffern, was das Schild mir außer „Fortsetzung folgt“ sagen wollte. Ich sah lustige Figuren auf Fahrrädern, die den Schlossturm, Lambertus und den Rheinturm darstellen sollten und eine Art Tour-de-France-Formation bildeten. Ganz vorne fuhr ein roter Löwe, ganz hinten ein grüner Jan-Wellem-Verschnitt. Ich wusste sofort, dass das lustig gemeint war, wunderte mich aber, dass ich so gar nicht schmunzeln mochte. Aber vielleicht lag das an der Tatsache, dass ich meinen Humor immer ablege, wenn ich meinen Fahrradhelm aufsetze. Nicht ohne Grund gibt es ja keinen Comedian, der mit Fahrradhelm auftritt. Aber das ist nur ein Randthema, das hier nicht hingehört, das ich vielleicht demnächst mal mit Deutschlands Oberradler Rudolf Scharping diskutieren werde.
Ich widmete mich also wieder dem Schild und den sonstigen auf ihm hinterlegten und mit einer Lupe leicht lesbaren Mini-Belehrungen. „Informationen zum Ausbau des Radhauptnetzes finden Sie....“, stand dort. Ich sinnierte gleich dem wundersamen Begriff Radhauptnetz hinterher und fragte mich, wer dieses Wortmonster wohl erfunden haben mag. Ich tippte auf irgendeinen wackeren Beamten im Rathaus, der sich gut mit Bauvorschriften und Sicherheitsparagraphen auskennt, aber keine Ahnung hat von Kommunikation im öffentlichen Raum und von dem, was Radfahrer wirklich interessiert. Außerdem warf der Begriff Radhauptnetz unwillkürlich Fragen auf. Etwa: Was ist ein Radhaupt? Ist es das, was ich beim Bicycletieren unter dem Helm tragen? Und wenn es ein Radhauptnetz gibt, wo finde ich das Radnebennetz? Und am wichtigsten: Was soll der Quatsch?
Warum steht hier, wo der Radweg im Gegensatz zur Wurst ein Ende hat, ein Schild, das keinen anderen Zweck hat, als mir zu signalisieren, dass es einen fernen Tages mal weitergehen könnte mit dem Radhauptnetz? Interessiert mich das, wenn mein Radweg gerade verschwunden ist? Steht am Berliner Flughafen auch ein Schild mit der Aufschrift „Fortsetzung folgt“?
Ich vermute, dass in irgendeinem städtischen Etat am Jahresende noch ein bisschen Geld übrig war und der zuständige Sachbearbeiter sich dachte: Damit lass ich jetzt mal ein komplett überflüssiges Schild aufstellen. Ich gebe ein paar hundert Euro dafür aus, dass Arbeiter ein Loch neben dem Fahrbahnrand graben, den Mast einbetonieren, und dann lasse ich Schilder mit „Fortsetzung folgt“ und lustigen radfahrenden Figuren drauf herstellen. Wie sagt man in den Amtsstuben bei zum Jahresende noch überquellenden Geldtöpfen doch so schön? Nix verkumme losse.
In Wahrheit interessiert das, was die Stadt für Eigenwerbung hält, den durchschnittlichen Radfahrer natürlich einen feuchten Kehricht. Der Radfahrer will sicher fahren und nicht vertröstet werden auf ein nebulöses Irgendwann. Zudem kreisen seine Gedanken um ganz andere Sachen.
So saß ich kürzlich mit einem Freund im wunderbaren Unverpackt-Café an der Brunnenstraße, und wir beide blickten wie üblich entspannt aus dem großzügigen Fenster auf das, was sich draußen so abspielte. Unsere Blicke verfingen sich rasch in den Speichen eines sehr speziellen Elektrorads, das an einem Mast ohne „Fortsetzung folgt“-Beschilderung vor dem Fenster angeschlossen war.
Wir fanden beide, dass das Rad sehr hochwertig aussah, sehr schick, dass es wohl so eine Art SUV unter den Zweirädern sein musste. Wir überboten uns in der Schätzung des Anschaffungspreises. Mein Kumpel meinte, so um die 3000 Euro würde so ein Gefährt wohl kosten. Ich legte noch 500 Euro drauf und sagte 3500.
Wir lagen beide falsch, denn nachdem wir unsere Schlauphone gezückt und ein paar Tasten gedrückt hatten, starrten wir erstaunt auf die Bildschirme. Das Rad, das da am Mast lehnte und das wir sehr schick fanden, kostete fette 7000 Euro.
Leck mich fett, dachte ich. 7000 Euro! Ich überschlug kurz, wie viele dieser Texte ich wohl schreiben müsste, um mir solch einen Rolls Royce auf zwei Rädern leisten zu können. Ich ermüdete rasch beim Rechnen und musste mir von der überaus freundlichen Bedienung rasch noch einen Kaffee in die linke Herzkammer injizieren lassen.
Ich war plötzlich willens, gegen meinen frisch entdeckten Mangel anzukämpfen. Ich beschloss, einer dualen Strategie zu folgen. Zum einen werde ich wie besinnungslos Kolumnen schreiben, zum anderen das 7000-Euro-Rad auf meinen Wunschzettel zu Weihnachten schreiben, und dann… Fortsetzung folgt.