Stadtplanung Wie sich Düsseldorf mit Hochhäusern verträgt
Wie viele sollen es sein? Wie sollen sie aussehen? Wo sollen sie stehen? Und unter welchen Bedingungen? Experten gaben erste Antworten. Die Planungsdezernentin sieht schon konkrete Orte vor sich.
Hochhäuser sind mächtige Gebilde. Sie sind nicht nur sehr groß, sie nehmen vor allem großen Einfluss auf Städte. In Düsseldorf entstehen derzeit immer mehr Türme, an der Mercedesstraße soll bald sogar in bis zu 120 Metern Höhe gewohnt werden können. Aber wie steht Düsseldorf eigentlich zu Hochhäusern? Zwar gibt es den so genannten Hochhausrahmenplan — der stammt jedoch aus dem Jahr 2004 und regelt viele offene Fragen nicht. Deshalb will ihn die Stadt fortschreiben und mit Hilfe der Bürger, aber auch Experten Leitlinien zum Bau von Hochhäusern entwickeln. Am Donnerstagabend schlug in der Kunstakademie bei einem Symposium die Stunde der Fachleute, die erste wichtige Kriterien zusammentrugen
Zweck Am Anfang steht die grundsätzliche Frage, die Matthias Pfeifer vom Bund Deutscher Architekten erst in der abschließenden Diskussion stellt. „Welches Stadtbild haben wir eigentlich? Sind wir das Dorf an der Düssel oder die internationale Metropole?“ Wollen wir in der Stadtentwicklung also überhaupt auf mehr Hochhäuser setzen?
Eine naheliegende Antwort wird am Ende wohl sein, in einigen Teilen der Stadt ja, in anderen nicht. Bestimmte Gebiete schreibt schon der jetzige Rahmenplan vor. Doch es braucht mehr Entscheidungsgrundlagen. Vor allem muss zunächst die Frage nach dem „Warum“ beantwortet werden. Denn es ist keinesfalls so, dass durch Hochhäuser im wachsenden Düsseldorf mehr bitter benötigter Wohnraum geschaffen werden könnte als durch Blockbebauung, wie Andreas Schulten von der Bulwiengesa AG ausführt.
So gilt es andere Faktoren in den Blick zu nehmen. Für Volker Kleinekort, Professor für Städtebau an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, und Rudi Scheuermann (Arup Deutschland) geht es bei Hochhäusern auch um eine Landmarkfunktion, die Schaffung einer Ikone, zudem um Selbstdarstellung und Prestige. Übrigens nicht nur für die Stadt, sondern oft auch für die Mieter, die sich zum Beispiel als Unternehmen repräsentieren wollen.
Marcel Abel von Jones Lang LaSalle erklärt im Pausengespräch mit unserer Redaktion so auch den Erfolg von Dreischeibenhaus und Libeskind-Bauten, die nach Sanierung und Neubau nahezu gleichzeitig an den Markt gingen und ein großer Erfolg wurden. Auch an die dank des Ausblick besondere Wohnsituation in der Höhe wird aus der vor allem mit Branchenvertretern besetzten Zuhörerschaft erinnert.
Ein Hochhaus kann also im Gegenteil zu den Erfahrungen mit Wohnsilos in den 60er und 70er Jahren Lebensqualität bedeuten. Sogar für die gesamte Stadtbevölkerung, wie Scheuermann erklärt. So könnten öffentliche Nutzungen wie Gastronomie auf Dachterrassen festgeschrieben werden. Der Landschaftsarchitekt Thomas Fenner ergänzt aus dem Plenum, dass durch Hochhäuser Qualität für den Raum um das Gebäude herum gewonnen werden könne. Es entstehe mehr gestaltbarer Freiraum als durch Blockbebauung. Sichtbar werde das etwa an den drei Hochhäusern im Quartier Central, die auch von Schulten gut bewertet wurden. Er schlug das Prinzip vor: „Je höher, desto mehr Freifläche.“
Michael Schumacher vom gleichnamigen Büro ergänzt den ästhetischen Faktor von Hochhäusern als „Nachtschönheiten“.
Gestalt Über die hohe architektonische Bedeutung herrschte Einigkeit. Als selbstverständlich setze Kleinekort qualitätssichernde Verfahren, also Wettbewerbe, voraus. Sie sollen sicher stellen, dass das Volumen ins Stadtbild passt. Festschreiben ließe sich: je besser die Proportionen, desto höher darf gebaut werden. Zur Gestaltung von Hochhäusern gehört allerdings auch die Gesamtbetrachtung. Wie soll sich die Skyline einer Stadt entwickeln? Welche Blickbeziehungen ergeben sich?
Anordnung Zur Veränderung der Stadtsilhouette gehört auch die Entscheidung über die Verteilung der Hochhäuser. Planungsdezernentin Cornelia Zuschke nennt zwei klassische Wege. Während New York auf Cluster, also Bündelung setze, habe sich in Vancouver über gleichmäßige Verteilung eine Art Nadelkissen ergeben. Als Grundsatz gibt Schumacher vor: „Hochhäuser sind nicht gern allein, sie sind keine Bedeutungsträger wie Kirchen.“
Lage Wo könnten also in Düsseldorf mehr Hochhäuser entstehen? Als Negativbeispiel fällt Schulten das geplante 120-Meter-Wohnhaus an der Mercedesstraße auf. „Das ist ein Risiko.“ Das Quartier sei ein unbeschriebenes Blatt, trotz gutem Bahnanschluss.
Als NoGo-Area sehen Zuschke und Pfeifer die Rheinlandschaft an. Beide können sich Hochhäuser vor allem zentral vorstellen. Zuschke wird im Gespräch mit unserer Redaktion konkreter: „Gut denkbar sind mehr Hochhäuser auf den Straßen von der City aus in Richtung Hauptbahnhof und um ihn herum.“ Eine Mischung in der Verteilung aus Cluster und Achsen schwebt ihr also vor.
Nutzung Dreierlei ist möglich: Hotels, Büros und Wohnen. Auch wenn Mischformen durch unterschiedliche Erschließungen des Gebäudes teurer seien, aufgrund des risikomindernden Effekts wird sie von den Experten empfohlen. Kippt der Wohnungsmarkt, lässt sich mehr auf Büros setzen und umgekehrt. Flexible Umbaumöglichkeiten sollten also beim Bau berücksichtigt werden. Probleme ergeben sich oft im Erdgeschoss, entsprechende Mieter wie Einzelhändler zu finden.
Nachhaltigkeit Die Verdichtung der Stadt kann für Scheuermann nur mit nachhaltiger Stadtentwicklung einhergehen. Lärm, Verschmutzung, Aufheizung müssten reduziert werden. Ein wichtiger Schritt aus seiner Sicht: weniger Individualverkehr. Hochhäuser müssten deshalb an Knotenpunkten für öffentlichen Nahverkehr, Carsharing und Leihfahrräder geplant werden.
Die Begrünung von Fassaden und Dächern könne die Luft filtern und für Abkühlung sorgen, was wiederum Stromfresser wie Klimanalagen überflüssig machen könne.
Beteiligung Im Unterschied zum ersten Hochhausrahmenplan soll der neue mit Beteiligung von Experten aber vor allem auch der Öffentlichkeit vonstatten gehen (Raumwerk D). Schon jetzt konnten die Düsseldorfer auf einer interaktiven Karte mögliche Standorte für Hochhäuser markieren und sich in Workshops beteiligen. Kleinekort wie Oliver Märker von Zebralog plädieren dafür, schon die Methode zur Kriterienfindung mitentwickeln zu lassen. Märker empfiehlt zudem, den Prozess möglichst lange, bis zum konkreten Projekt, für Beteiligung zu öffnen. Denn erst dann steige die Aufmerksamkeit für das Thema.
Bis Anfang 2019 soll die Aufgabenstellung laut Zuschke für den neuen Plan stehen, der dann mindestens zwei Jahre lang entwickelt werde.