Debatte in Düsseldorf-Golzheim Nachbarschaft streitet über neue Flüchtlingsunterkunft
Düsseldorf · Die Bezirksregierung hat die Anwohner aus Golzheim am Donnerstagabend ausführlich über eine neue Unterbringung für 640 Flüchtlinge informiert. Für einige kamen die Informationen zu spät, andere sorgen sich um die Sicherheit, wiederum andere haben ihre Hilfe angeboten.
Eine neue Flüchtlingsunterkunft, die an der Schwannstraße entstehen soll, spaltet offenbar die Nachbarschaft. Das zeigte sich bei einer Informationsveranstaltung am Donnerstagabend. Die Bezirksregierung hatte in den Barbarasaal der Kirche Heilige Dreifaltigkeit eingeladen, geschätzt 150 Menschen kamen. Einige kritisierten die Kommunikation der Behörde und zeigten sich besorgt um die Sicherheit. Die Vertreter von Bezirksregierung, Stadt und Polizei bemühten sich, die Ängste zu mindern.
In dem Gebäude an der Schwannstraße 12, in dem früher der Konzern Salzgitter Mannesmann seine Büros hatte, sollen Räume für 640 Flüchtlinge entstehen. Im Herbst 2024 können voraussichtlich die ersten Personen einziehen, der Mietvertrag läuft achteinhalb Jahre. Auf 8000 Quadratmetern sollen Zwei- bis Achtbettzimmer entstehen, Büros, Freizeiträume, draußen ein Spielplatz. Ein Betreuungsdienst werde sich um die Bewohner kümmern, Sicherheitsleute seien rund um die Uhr vor Ort, so die Vertreter von der Bezirksregierung. Flüchtlinge bleiben meist sechs bis 18 Monate in dieser Art der Landesunterkunft, Familien mit Kindern werden schneller an die Kommunen vermittelt als alleinreisende Männer.
Die Fragen drehten sich darum, welche Menschen denn an der Schwannstraße einziehen sollen. Die Antwort: In der Regel seien rund 70 Prozent der Flüchtlinge männlich, die meisten kämen aus Syrien, der Türkei und Afghanistan. Das besorgt einige Nachbarn. Eine Anwohnerin fürchtet, dass in dem Viertel ein Brennpunkt entstehen könne. „Ich fühle mich bedroht“, sagte sie. Es sei eine „gruselige Vorstellung“ in der Gegend zu wohnen. Mehrfach stellten Anwohner die Sicherheit der Nachbarschaft infrage.
„Die Bedenken können wir nachvollziehen“, sagte Markus Grommes, Leiter der Polizeiinspektion Nord. Meist würden sich die Befürchtungen der Nachbarn jedoch nicht bewahrheiten. Das betonte auch Miriam Koch, Dezernentin für Kultur und Integration. Sie war die erste Flüchtlingsbeauftragte und hat 2015 ähnliche Infoabende in vielen Bezirken begleitet, an die sie sich nun erinnert fühle, sagte Koch. „Diese Befürchtungen sind immer da.“
Gegen Ängste sollen Begegnungen mit den Flüchtlingen helfen
Um diese abzubauen, würden Tage der offenen Tür und Begegnungen mit den Flüchtlingen helfen. „Die Masse teilt sich in Einzelschicksale auf“, sagte Koch. „Sie können sich sicher sein: Wenn etwas nicht läuft, dann kümmern wir uns darum.“
Manfred Joch von der polizeilichen Verbindungsstelle steht zwischen Polizei und Bezirksregierung und wertet Vorfälle in Flüchtlingsunterkünften aus. Seit er diese Aufgabe mache, habe es keine nennenswerten Taten wie Raubüberfälle oder Vergewaltigungen gegeben, sagte Joch. Es seien einige wenige Geflüchtete, die straffällig werden, meist begingen sie Ladendiebstähle. Rund um eine Unterkunft in Mülheim an der Ruhr, die im Sommer eröffnet hatte, sei etwa kein Anstieg von Straftaten zu beobachten. Die größeren Probleme gebe es innerhalb der Einrichtungen, in denen auf kleinem Raum viele Menschen aus unterschiedlichen Nationen zusammenleben. „Davon bekommen Sie als Anwohner in der Regel nichts mit“, sagte Joch. „Wir müssen uns von der Vorstellung frei machen, dass Menschen kriminell sind, nur weil sie anders aussehen.“ Dieser Satz erntete den wohl lautesten Applaus des Abends.
Obwohl es hauptsächlich um die Landesunterkunft an der Schwannstraße gehen sollte, kamen auch die Pläne für ein weiteres Gebäude zur Sprache: In der ehemaligen LEG-Zentrale an der Hans-Böckler-Straße könnten ebenfalls Flüchtlinge einziehen. Die Stadt führt aktuell Gespräche zu neun Objekten, dies sei eines davon, bestätigte Dezernentin Koch. Dort könnten nach ersten Planungen „mehrere Hundert“ Personen unterkommen. Die Größenordnung würde voraussichtlich wie in den anderen kommunalen Unterkünften zwischen 200 und 400 liegen, so Koch. In dem Gebäude könnten vor allem kleinere und barrierefreie Wohneinheiten entstehen.
Insgesamt hat die Stadt derzeit 3000 Geflüchtete untergebracht, weitere 8500 Ukrainerinnen und Ukrainer leben in Hotels und Appartements. Künftig werden jedoch einige Mietverträge auslaufen, die Stadt müsse darum neue Plätze schaffen, so Koch. Auch das Land NRW muss neue Unterkünfte einrichten, um dem Bedarf gerecht zu werden, sagte Chris Patrick Kruse, Abteilungsleiter für den Bereich Flüchtlinge bei der Bezirksregierung. Er erinnerte an den Krieg in der Ukraine, die Naturkatastrophen in der Türkei und Libyen, die Situation in Afghanistan und Gaza. „Die Menschen sind hier. Nun müssen wir uns um sie kümmern.“ Mit der Unterkunft in Golzheim komme die Bezirksregierung auch einer Bitte aus dem Kreis der Kommunen nach, sagte Kruse. Andere Städte und Kreise im Bezirk seien bereits überlastet und müssten schon Betten in Turnhallen der Schulen aufstellen. Das Bürogebäude in Golzheim sei groß genug, habe einen Außenbereich und Sichtschutz, ließe sich schnell umbauen, sei kurzfristig anmietbar und bezahlbar. Um den Abschluss des Mietvertrags nicht zu gefährden, habe die Bezirksregierung die Anwohner nicht früher einbinden können, so Kruse. Es gab aber nicht nur Protest und Sorgen: Es hätten sich auch schon Nachbarn gemeldet, die helfen wollen.