Düsseldorf hat die meisten Top-Künstler

Im Kunstkompass ist die Landeshauptstadt einsame Spitze in den klassischen Künsten. Und Beuys ist Nummer 2 im Olymp.

Foto: Charles Duprat

Linde Rohr-Bongard gibt seit 47 Jahren den Kunstkompass heraus, das Ranking der Gegenwartskünstler. Sie unterteilt es in der aktuellen Ausgabe von Capital in die Stars von heute und von morgen. Danach erweist sich die Kunstszene Düsseldorf als äußerst stabil. Von den 100 Top-Künstlern aus aller Welt, die sie seit 1970 untersucht, leben 28 Künstler in Deutschland, der führenden Kunstnation, und zehn in Düsseldorf. Das ist großartig.

Foto: Charles Duprat

Bei den Aufsteigern allerdings hapert es hierzulande. Unter den „Stars von morgen“ befindet sich kaum ein Name von hier. Möglicherweise sind Performance und Partizipationskunst seit dem Tod von Joseph Beuys keine Stärken mehr. Ein Cross-over von Mode, Design, Musik, Tanz, Literatur und Wissenschaft, wie es etwa an den Hochschulen in Berlin gepflegt wird, gibt es hier nicht. Eine Analyse.

Foto: Charles Duprat

Gerhard Richter in Köln ist und bleibt die Nummer Eins. Aber mit Platz 9 ist auch Tony Cragg Spitze. Der pensionierte Akademierektor, Jahrgang 1949, ist damit der gefragteste Künstler hierzulande, was die Ausstellungen in Museen und öffentlichen Kunsthallen angeht. Von ihm steht neuerdings eine große Skulptur im Garten der Akademie der Künste und Wissenschaften am Florapark. Sein Tatendrang, sein Arbeitseifer, sein ungeheurer Erfolg zwischen Ausstellungen im Louvre, in Luxemburg und derzeit im Iran sind beispielhaft. Er hat die mächtige Galerie Thaddaeus Ropac hinter sich, mit Standorten in London, Salzburg und Paris sowie in fast allen internationalen Messen. Manche Außenstehende fragen sich, wie er dieses Pensum schafft, unterhält er doch auch den Skulpturenpark in Wuppertal mit drei großen Ausstellungshallen, in denen er selbst kuratiert.

Foto: Charles Duprat

Sechs Jahre jünger ist Andreas Gursky (Jg. 1955). Er hält die Position 13. Nur Cindy Sherman, die Verwandlungskünstlerin mit dem stets wechselnden Alter Ego, ist noch gefragter in der Fotokunst. Gursky könnte eine noch größere Position einnehmen, wenn Rohr-Bongard auch Ankäufe an große Häuser oder Galerie-Ausstellungen berücksichtigen würde, was sie nicht tut. Gursky spielt mit der Schönheit, aber auch mit der Wahrnehmung. Seine perfekten Bildwände entzücken Normalbürger wie Millionäre. Der Düsseldorfer wird von Sprüth-Magers vertreten, mit Standorten in Berlin, London und Los Angeles sowie Büros in Köln und Hongkong.

Foto: Charles Duprat

Gleich nach Gursky kommen auf Platz 14 Imi Knoebel, Platz 15 Thomas Schütte und Platz 17 Thomas Ruff. Knoebel (Jg. 1940) ist seit seinen herausragenden Kirchenfenstern von Reims, mit denen er Gerhard Richters Werk im Kölner Dom toppt, extrem gefragt. Seine Analyse der Farben, das Auffinden immer wieder neuer Nuancen macht ihm so schnell niemand nach. Auch er wird von Thaddaeus Ropac betreut, von dem Linde Bongard erklärt: „Wer bei Ropac ist, ist Nummer Eins.“ Ropac organisiert 30 Einzel- und Gruppenausstellungen pro Jahr in den Räumen der Galerie und bei internationalen Kunstmessen.

Foto: H.M., Schaller, Anna Schwartz, dpa

Schütte, Jahrgang 1954, schafft ein sehr breitgefächertes Werk. Er ist Bildhauer, Architekt sowie Zeichner zartester Porträts. Er setzt sich mit der Existenz des Menschen auseinander, gestaltet Räume und entwirft seine eigene Skulpturenhalle in Neuss. Dort betreut er wie Tony Cragg in Wuppertal seine Stiftung mit eigenem Museum. Cragg wie Schütte sind nicht nur Weltkünstler der Skulptur, sondern sie holen auch ihresgleichen in ihre Ausstellungen. Schütte ist darüber hinaus ein sehr sensibler Grafiker, Aquarellist und Zeichner.

Thomas Ruff nimmt Position 17 ein. Würde Linde Rohr-Bongard Galerieausstellungen hinzuzählen, läge er weit vorn. Erst jetzt bei der Art Düsseldorf brachte er über die Galerie Zwirner aus New York eine neue Museumsserie heraus, die sofort ausverkauft war. Ruff schlägt Haken. Er ist der Neugierigste und Experimentierfreudigste unter den Fotokünstlern.

Günther Uecker schiebt sich mit seiner Nagelkunst nach vorn. Derzeit hält der 87-Jährige den Platz 39. Linde Rohr- Bongard erklärt: „Uecker war viele Jahre gar nicht im Kompass vertreten, gehörte also nicht zu den 100 Stars, denn Zero spielte international keine Rolle mehr. Doch Uecker hat sich fantastisch aus dem Nichts heraus entwickelt. Und er wird noch weiter in seiner Bedeutung steigen.“ Sein Nagelobjekt aus der Insolvenzmasse von Helge Achenbach wurde bei van Ham für. 2,2 Millionen (ohne Aufgeld) verkauft.

Markus Lüpertz, ehemaliger Rektor der Kunstakademie, hält Position 62. Auch wenn er in Berlin und Mönchengladbach arbeitet, so sitzt doch sein Bronzegießer Schmäke in Düsseldorf. Lüpertz ist ein genialer Redner. Seine Auftritte sind perfekt. Und sein Galerist Michael Werner hält seit Jahrzehnten zu ihm.

Weitere Künstler unter den 100 absoluten Stars der Weltkunst sind Hans-Peter Feldmann (Jg. 1941, Platz 65), der einzige Künstler mit einem augenzwinkernden Humor. Die Bildhauerin und Akademieprofessorin Katharina Fritsch (Jg. 1956) wird auf Position 69 gehandelt.

Gregor Schneider (Jg. 1969) schiebt sich temperamentvoll nach vorn. Er ist in nur einem Jahr um zehn Punkte auf Platz 71 gestiegen. Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle, die vielen sensationellen Einzel- und Gruppenausstellungen rauben den Besuchern den Atem, so spannend sind sie.

Die einzige Düsseldorfer Galerie, die einige dieser Stars handelt, ist die Konrad Fischer Galerie. Ruff, Schütte, Feldmann, Cragg, sie alle gingen durch diese Hände.