Düsseldorf: Hinter Unfallflucht steckt oft Betrug

In der Statistik steigt die Zahl der Fahrerfluchten langsam, aber stetig. Die Aufklärungsquote ist immerhin sehr hoch. Anzeigen kommen häufig von Rauchern.

Foto: Jürgen Dehniger

Düsseldorf. Es ist eine Entscheidung, die innerhalb von Sekunden fällt, nachdem es gekracht hat. Steige ich aus und warte auf die Polizei, oder fahr ich einfach weiter und hoffe, dass man mich nicht erwischt? In 6753 Fällen entschieden sich nach der Statistik im vergangenen Jahr Verkehrsteilnehmer dazu, lieber die Flucht zu ergreifen. Übrigens keineswegs nur Autofahrer, sondern zunehmend auch Radler. Eine Zahl, die langsam, aber stetig steigt, seit 2014 um knapp fünf Prozent. Was aber möglicherweise tatsächlich nur Statistik und nicht Realität ist. Darin sind sich Gundolf de Riese-Meyer, Leiter des Unfallaufnahmeteams der Polizei, und Hans-Jürgen von Stosch, einer der führenden Anwälte für Verkehrsrecht, einig.

Riese-Meyer schätzt, dass bis zu zehn Prozent der angezeigten Unfallfluchten vorgetäuscht sind: „Früher hat man eine kleine Beule im Auto schon mal hingenommen. Heute sind immer mehr Leasing- und Firmenfahrzeuge unterwegs, bei der jeder Schaden angezeigt werden muss.“ Wer sich abends nach einem Altbier zu viel ans Steuer gesetzt und beim Einparken einen Poller gerammt hat, der schläft danach erst einmal aus und meldet am nächsten Morgen einen angeblichen Schaden bei der Polizei.

Daraus kann sehr schnell ein Strafverfahren wegen Betrugs werden. Denn die Chance, erwischt zu werden, ist hoch. Ähnlich wie bei der Kriminalitätsbekämpfung haben sich die technischen Möglichkeiten auch für das Unfallaufnahmeteam enorm verbessert. „Wir können zum Beispiel sehr schnell feststellen, ob ein Pkw gegen einen Poller gefahren ist, oder ob es tatsächlich Lackspuren von einem anderen Fahrzeug gibt,“ so Riese-Meyer.

Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer Unfallflucht erwischt zu werden, überhaupt sehr groß. Bei Bagatellschäden (bis zu 1500 Euro) liegt die Aufklärungsquote seit Jahren konstant bei 45 Prozent. Bei Unfällen mit Personenschäden sind es sogar 67 Prozent. Da wird dann auch schon mal das ganz große Besteck aufgefahren, zum Beispiel nach einem tödlichen Unfall vor sieben Jahren, als an der Münchener Straße ein 24-Jähriger überrollt wurde.

Am Unfallort wurde ein abgerissener Scheinwerfer gefunden, der zu einem Renault-Lkw gehörte. Riese-Meyer: „Damals haben wir rund 3300 Fahrzeuge ermittelt, die infrage kamen. Notfalls hätten wir die alle überprüft.“ Glücklicherweise führte schon eine der ersten Spuren zum Täter, einem Berufskraftfahrer.

Ein neues Phänomen sind Fahrradfahrer, die nach Unfällen mit Fußgängern immer öfter einfach verschwinden. Mit Spurensicherung ist da nur wenig zu machen: „Da komme ich an Grenzen.“

Hans-Jürgen von Stosch ist überzeugt, dass nicht die Zahl der Unfallfluchten gestiegen ist: „Es werden einfach nur immer mehr Fälle gemeldet. Fast jede zweite Anzeige kommt gefühlt von einem Raucher, der irgendwo vor der Türe steht.“

Der Rechtsanwalt empfindet es auch als ungerecht, dass ab einem Sachschaden von 1300 Euro automatisch der Führerschein eingezogen wird: „Ich glaube, bei den Reparaturkosten wird viel gemogelt. Außerdem ist diese Summe seit Jahren nicht angehoben worden.“ Auch werde der lokale Faktor nicht berücksichtigt: „Wer an der Kö beim Einparken einen Luxuswagen beschädigt, ist viel schneller bei 1300 Euro als ein Autofahrer in Duisburg.“