Nach Räumung der Baugrube Obdachlose sind vom „Grand Central“ in Düsseldorf in neues Camp weitergezogen
Düsseldorf · Wegen der Räumung des „Grand Central“-Geländes in Düsseldorf haben sich einige Drogenabhängige einen neuen Platz gesucht. Unter einer Unterführung an der Werdener Straße übernachten nun 20 bis 30 Obdachlose in Zelten.
Wegen der Räumung des „Grand Central“-Geländes sind einige der dort ansässigen Obdachlosen weitergezogen und haben sich einen neuen Platz gesucht. Unter einer Unterführung an der Ecke Werdener und Fichtenstraße haben sie aus Bauzäunen und Planen neue Zelte aufgebaut, laut Streetworkern und Bewohnern übernachten dort 20 bis 30 Personen.
Der neue Standort für das Lager sei auch zuvor schon ein Treffpunkt für Obdachlose gewesen, sagt Oliver Ongaro, Streetworker vom Straßenmagazin Fiftyfifty. Die Müllberge hätten sich über längere Zeit angesammelt. Die Verschläge aber stünden dort noch keine zehn Tage und die Gruppe der Menschen, die unter der Unterführung übernachten, sei stark gewachsen. Einige von ihnen hätten zuvor in der Baugrube gehaust. Dazu gehören Reza und Dennis. Sie haben zuletzt auf dem „Grand Central“-Gelände gelebt und halten sich seit fünf Tagen unter der Unterführung auf. Sie seien abgehauen, als sie von der Räumung erfahren hätten, sagt Dennis. Er wollte in keine Notschlafstelle umziehen und bezeichnet diese als „knastähnlich“.
Die Stadt hatte das brachliegende Baugelände in der Nähe des Hauptbahnhofs am Montag geräumt. Mehrere Jahre lang campierten dort Obdachlose, in den vergangenen Monaten zogen immer mehr stark drogenabhängige Personen in die Baugrube. Aufgrund der Kälte war nun Eile geboten, so die Begründung. Ordnungsamt und Polizei räumten das Gelände, Bagger rissen die Zelte ab. Aus Sicht der Streetworker hat die Räumung jedoch keine Verbesserung gebracht, sondern das Problem lediglich verlagert. Die Menschen schliefen weiterhin bei Kälte im Freien, nun unter der Unterführung.
Unter den Obdachlosen
herrschen viele Ängste
„Wir waren uns alle einig, dass die Platte geräumt werden muss“, sagt Miriam Koch, Dezernentin für Kultur und Integration. Es gebe viele Treffpunkte, die tolerierbar seien, jedoch nicht das „Grand Central“-Gelände, so Koch. Dort hatte sich eine zunehmende Kriminalität entwickelt. Allen Menschen aus der Baugrube sei eine Unterbringung angeboten worden, sagt Koch. Angenommen hat das aber lediglich ein Mann. Er ließ sich am Montag in eine Einrichtung für suchtkranke Obdachlose in der Nähe des Hauptbahnhofs fahren.
Viele Obdachlose fürchten eine Abschiebung, sagt Jürgen Plitt, der die Wohnungslosenhilfe bei den Franzfreunden leitet. Nicht wenige hätten schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht und wollten Konfrontationen aus dem Weg gehen. „Das ist eine Personengruppe, die unterm Radar bleiben möchte“, so Plitt. „Auch wenn die Ängste zum Teil irrational sind.“
Die Baugrube hatte sich in den vergangenen Monaten bereits stark geleert. Sozialarbeiter der Franzfreunde hatten schon vor der Räumung fünf Personen in Notunterkünften untergebracht, sagt Plitt. Weitere fünf schwer drogenabhängige Männer und Frauen mussten am Montag ihre Zelte verlassen. Die Stadt hatte ihnen Plätze in unterschiedlichen Unterkünften angeboten, sagt Plitt, bis auf den einen Betroffenen lehnten sie aber ab. Alle anderen hatten – wie Reza und Dennis – das Gelände bereits selbstständig verlassen, bevor die Einsatzkräfte eintrafen.
Die Unterbringung von Drogenabhängigen kann aber durchaus problematisch sein, sagt Plitt. Einrichtungen dürfen den Besitz und Konsum von Drogen in ihren Räumen nicht einfach dulden, was die Organisation erschwert und die Abhängigen oftmals stresst. Auch viele Notschlafstellen kommen für sie nicht infrage. Sie müssen eine Unterkunft selbstständig jederzeit verlassen und betreten können, um Drogen zu kaufen und zu konsumieren, und das ist nicht bei allen Organisationen möglich.
„Es gibt keine einfache Lösung“, sagt Plitt. Ein Anfang wären aber kleine, zentral gelegene Wohneinheiten und eine „akzeptierende Haltung“ zur Drogenabhängigkeit. Das betont auch Oliver Ongaro von Fiftyfifty. Nur wenn man den Konsum anfangs dulde, könne man mit den Abhängigen arbeiten, Leistungen beantragen, Krankenversicherungen abschließen und sie in eine Suchttherapie begleiten.