Medizin in Düsseldorf Psychiatrische Behandlung ist auch zu Hause möglich

Düsseldorf · Das LVR-Klinikum hat ein Team zusammengestellt, das psychisch erkrankte Menschen in deren vertrauter Umgebung behandelt.

Das Team der „Stations-äquivalenten Behandlung“ am LVR-Klinikum mit Leiter Leonhard Schilbach (3.v.r.)

Foto: LVR/Rainer Hotz

Eine psychiatrische Behandlung erfordert normalerweise den regelmäßigen Gang zu einem Facharzt oder in akuten Krisen oftmals die Behandlung in einer Klinik. Letzteres ist aber nicht für alle Menschen möglich. Alleinerziehende Mütter oder Menschen, die eine Stigmatisierung durch eine stationäre Behandlung vermeiden wollen, sind erst recht in der Zwickmühle. Für diese Zielgruppe hat das LVR-Klinikum nun mit der psychiatrischen Zuhausebehandlung ein neues Angebot geschaffen – im psychiatrischen Fachdeutsch „Stations-äquivalente Behandlung“ oder kurz „StäB“ genannt. Im Rahmen von StäB findet eine aufsuchende Behandlung an sieben Tagen die Woche, also in gleicher Intensität und mit den gleichen Mitteln wie in der Klinik, zu Hause statt.

„Wir haben seit September dafür ein eigenes mobiles Team. Wir sehen das noch als Pilotprojekt in der Erprobungsphase an, sind aber zuversichtlich, dass sich das Behandlungsformat bewähren wird“, erklärt Leonhard Schilbach, Chefarzt der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie 2 und stellvertretender ärztlicher Direktor am LVR-Klinikum, der gemeinsam mit dem Pflegedienstleiter Norbert Wietscher das neue Angebot ins Leben gerufen hat. „Wir wollen uns als Klinik weiterentwickeln, zeitgemäße und innovative Behandlungslösungen kreieren, dieses zählt dazu.“

Asli Nadine Dogan ist die pflegerische Ansprechperson im StäB-Team – und in dieser Funktion für Hausbesuche unterwegs.

Foto: LVR/Rainer Hotz

Krankheitsbilder, die zu Hause und damit im vertrauten Umfeld behandelt werden können, sind etwa Angst- und Zwangsstörungen, aber ebenso autistische, psychotische oder depressive Erkrankungen, also das gesamte Spektrum der Psychiatrie. „Es gibt ja auch Menschen, die gerade aufgrund ihrer psychischen Erkrankung das Haus nicht verlassen können, die fallen komplett durch das Raster“, präzisiert Schilbach. Die wenig erfolgversprechende Alternative wäre in solchen Fällen eine Nicht-Behandlung.

Wichtig ist dabei, dass das von einer Fach- und Oberärztin geleitete StäB-Team von der Pflegekraft über den Psychologen, den Ergotherapeuten bis hin zur Sozialarbeiterin multidisziplinär besetzt ist und dass Untersuchungen wie EKG, Blutentnahme oder Medikamentengaben in den eigenen vier Wänden möglich sind. Therapiegespräche oder die Teilnahme an zusätzlichen Angeboten im Klinikum sind dabei nicht ausgeschlossen.

Auch für die StäB-Kräfte bedeutet das Angebot Neuland. „Normalerweise kommt der Patient zum Arzt und nicht umgekehrt. Jetzt sind wir plötzlich der Gast“, sagt Schilbach. Für eine professionelle Behandlung spielen dann auch Dinge aus dem häuslichen Umfeld eine Rolle, „wir sind dichter am Leben dran, stellen uns auf das ein, was wir vorfinden. Das alles erfordert von den Teammitgliedern ein hohes Maß an Flexibilität und Eigenverantwortung, macht die Tätigkeit aber auch besonders reizvoll“, so der Professor. Eine Grundvoraussetzung: Damit der Austausch auf Augenhöhe gelingt, müssen alle im Haushalt lebenden Personen mit den täglichen Besuchen einverstanden sein.

Denkbar ist ebenfalls, dass StäB nach einem Klinikaufenthalt greift, sodass die Behandlung in der Klinik verkürzt werden kann und zu Hause weitergeführt wird. Im Anschluss an StäB stehen dann die psychiatrischen Ambulanzen des LVR-Klinikums bei Bedarf zur Verfügung. Aktuell sind es sechs Patienten, die in Düsseldorf vom StäB-Team betreut werden, „mehr geht momentan nicht, der logistische Aufwand ist groß, da müssten wir personell weiter aufstocken – was ich für die Zukunft aber nicht ausschließen will“, sagt Schilbach.

Dennoch ist das Angebot quasi ein Geheimtipp: „Viele Betroffene wissen gar nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist“, berichtet der Mediziner. Nicht infrage kommt StäB für akut Suizidgefährdete, auch ein ausgeprägter Suchtmittelkonsum ist ein Ausschlusskriterium.