Überraschungsauftritte im Restaurant Der „SuddenSinger“ aus Düsseldorf
Düsseldorf · Ricardo Marinello ist Opernsänger und geht auf Social Media gerade durch die Decke. Sein Geheimrezept: Er gibt spontan eine Darbietung seiner Gesangskunst, in Restaurants, Cafés oder auf der Straße.
Wieder so ein Tag, mit dem Ricardo Marinello rundum glücklich sein kann: Anja Sadler empfängt den Sänger in ihrem exklusiven Brautmoden-Geschäft „Yes to the Dress“ in der Kö-Galerie. Weil sie so beeindruckt ist von seiner Stimme, will sie ihm eine Freude machen. Die Schneidermeisterin, die in Köln ein Atelier mit der Schauspielerin Vivien Wulf führt, hat ihm ein lässiges Hemd im Pyjama-Stil mitgebracht, dazu einen passenden Kaschmir-Seiden-Schal. „Extra angefertigt“, sagt sie Aber das ist noch nicht alles. Ricardo Marinello kann es kaum fassen: Er bekommt von ihr einen maßgeschneiderten Smoking.
Damit wird er demnächst in New York Furore machen, wo ein Highlight seiner Karriere auf ihn wartet: ein Auftritt auf dem Times Square bei einem privaten Fest. „Der Gastgeber lässt den Platz für zwei Stunden sperren und bewirtet seine Freunde mit einem Lobster-Essen“, erzählt er. „Und dann tauche ich plötzlich auf und singe.“ Er nutzt nebenbei noch andere Kontakte in New York und wird auch bei einer „Star Wars Party“ in einem Hotel auftreten, „natürlich mit Maske“.
Von dem Geschäft für Braut & Bräutigam sind es nur wenige Schritte ins italienische Restaurant Barolo. Dort hat Marinello Lust auf einen seiner Überraschungs-Auftritte. Seitdem er vor drei Monaten auf den Geschmack gekommen ist, als „sudden singer“ die Menschen aus dem Nichts heraus zu begeistern, liebt er solche Momente. Es ist Mittagszeit. Der Tenor setzt sich an einen Tisch, bestellt Pasta und beginnt zu singen. Einen der größten Opern-Klassiker, den wohl jeder kennt: „Nessun dorma“ aus Puccinis „Turandot“. Die Arie schmeichelt sich in Ohren und Herzen der Gäste um ihn herum. Alle senken das Besteck und hören ihm aufmerksam zu. Flanierer bleiben staunend stehen. Und am Ende erntet er viel Applaus.
„Anfangs musste ich mich dazu noch überwinden“, gibt Ricardo Marinello zu. „Inzwischen habe ich mich an meine One-Man-Show gewöhnt, nur begleitet von Musik aus dem Recorder. Aufgeregt bin ich trotzdem noch, aber ich ziehe daraus auch meine Energie.“ Ganz fremd ist dem Sohn eines Gastronomen diese Art von Öffentlichkeit nicht: „Schließlich habe ich schon als Kind ohne Scheu in unserem Lokal gesungen.“
Videos von seinen Spontan-Einlagen platziert er auf Tik Tok und Instagram – mit überwältigenden Reaktionen. Schon das erste Filmchen brachte es auf fünf Millionen Klicks, inzwischen kamen bei zehn Videos an die 95 Millionen Klicks zusammen. Und so wurde aus dem Düsseldorfer Sänger Ricardo Marinello über Nacht ein Medienstar.
Der Internet-Star beglückt auch Bewohner eines Seniorenheims
„Meine Botschaft kommt an“, sagt er zufrieden. „Wenn junge Leute nicht in die Oper gehen, muss die Oper eben zu ihnen kommen. Klassische Musik ist das Fundament für alles. Allerdings sollten die Stücke nicht so schwer sein.“ Wie „Nessun dorma“ ist auch „La donna e mobile“ aus „Rigoletto“ ein Ohrwurm. Und singt der sozial engagierte Sänger in einem Seniorenheim, freuen sich die Bewohner über Operetten, die ihnen aus der Jugend vertraut sind.
Mit 35 Jahren ist Ricardo Marinello weit gekommen. Auftakt seiner Karriere war 2007 der Sieg mit „Time to Say Goodbye“ bei der ersten Ausgabe von „Das Supertalent“. Unvorbereitet brach der frühe Ruhm über ihn herein. Aber zielstrebig verfolgte er sein Ziel, als Opernsänger Fuß zu fassen. Er studierte an der Robert-Schumann-Musikhochschule, absolvierte Meisterkurse bei berühmten Künstlern, hatte Opern-Engagements, gab Konzerte, bekam vom Richard-Wagner-Verband ein Stipendium der Bayreuther Festspiele. Zug um Zug sammelte er Bühnenerfahrung und erweiterte sein Repertoire, zu dem heute auch Oratorien gehören.
Allein fünf Auftritte in der Elbphilharmonie müssen als Ritterschlag gelten. Er bereitet eine Aufnahme in den legendären Abbey Road Studios in London vor und tritt mit dem London Philharmonic Orchestra in der Royal Albert Hall auf. Bei diesem Lauf ist es kein Wunder, dass sein größter Traum die Covent Garden Opera oder gar die Met in New York wäre. Zu klagen aber gibt es nichts. Das Jahr 2023 führt Ricardo Marinello in die weite Welt hinaus: zwei Mal USA, Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Hawaii und Kuwait.
Ein Grund mehr, warum er kürzlich aus Düsseldorf auf einen Bauernhof bei Kempen zog. „Auf dem Land ist es wunderschön“, schwärmt er. „Dort finde ich die nötige Ruhe. Das komplette Gegenstück zum Leben aus dem Koffer.“