Insolvente Supermarktkette Warum schließt Real die Vorzeige-Filiale in Düsseldorf-Heerdt?
Update | Düsseldorf · Nach dem Millionen-Umbau des Supermarktes in Heerdt kommt jetzt das Aus. Der Investor kassiert – und Mitarbeiter gehen leer aus.
Wie fühlt es sich an, wenn man aus den Medien von seiner Kündigung erfährt? Der stellvertretende Leiter von „Mein Real“ in Heerdt sagt im spontanen Gespräch an der Kühltheke: „Wir sind entspannt und bleiben optimistisch.“ Schließlich arbeite er schon seit mehr als 20 Jahren für Real, um Schließungen gehe es hier ständig. Doch die neuesten Nachrichten aus der Zentrale in Mönchengladbach zeigen, dass es dieses Mal keinen Grund für Optimismus gibt.
45 „Mein Real“-Märkte werden bis zum 31. März 2024 geschlossen, darunter auch die Filiale in Düsseldorf. So steht es in einer offiziellen Mitteilung, deren Inhalt schon am Montagabend durch die Medien ging – und auf dem Weg die rund 80 Mitarbeiter in Heerdt erreichte, bevor sie von ihrem Vorgesetzten informiert wurden. Für die Filiale in Heerdt kommt das Aus überraschend, denn hier wurde gerade erst viel Geld investiert. Der zwischenzeitliche Eigentümer, die Unternehmerfamilie Tischendorf, hatte den Markt auf beiden Geschossen aufwendig umbauen lassen. „Alles ist neu“, sagt ein Mitarbeiter, der an der gerade erst eröffneten Saftbar arbeitet. Helleres Licht, schönerer Boden, größere Frischetheke. „Ein paar Millionen hat das sicher gekostet“, schätzt ein Mitglied des Betriebsrats.
Der Düsseldorfer Betriebsratschef ist am Dienstag nicht im Laden, sondern auf einer Konferenz mit Kollegen aus ganz Deutschland. Schließlich sind Tausende Mitarbeiter und deren Familien von den bundesweiten Schließungen betroffen. „Wir sind uns der persönlichen Auswirkungen bewusst“, sagt Real-Chef Bojan Luncer. „Wir führen derzeit mit dem Betriebsrat Gespräche mit dem Ziel, Interessenausgleich und Sozialplan abzuschließen.“
Noch hat keiner der Beschäftigten seine Kündigung bekommen. Ende des Monats soll es so weit sein, sagt ein Mitarbeiter in Heerdt. Viele Kollegen arbeiten schon jahrzehntelang in dem Laden, kennen die Fläche teils noch aus den früheren „Allkauf“-Zeiten. Aber eine Abfindung als Dankeschön für den Dienst am Unternehmen? Unwahrscheinlich – weil Real Ende September Insolvenz angemeldet hat. „Manche haben hier 40 Jahre lang gearbeitet und werden mit leeren Händen nach Hause gehen“, sagt der Mitarbeiter.
An Tag eins nach dem Schließ-Schock hat sich die Nachricht schon bei Kunden herumgesprochen. Eine Frau zu dem Mitarbeiter an der Saftbar: „Es ist so schade, ihr müsst ja schon seit Jahren zittern. Dabei läuft der Laden doch!“ Zwei Rentnerinnen haben gerade ihren Großeinkauf gemacht, sie kommen seit Jahren extra aus Pempelfort. „Weil das Parkhaus groß ist und die Mitarbeiter sehr freundlich sind.“
Frisch umgebaut, mit riesigem Sortiment und guter Anbindung im aufstrebenden Stadtteil Heerdt: Warum hat das keine Zukunft? Peter Kenning, BWL-Professor an der Heinrich-Heine-Uni und Experte für den Handel, sagt: „Die Kunden achten beim Einkauf vor allem auf das Sortiment und den Preis – und da hat sich Real offenbar nicht wesentlich verbessern können.“
Zwar hieße Real neuerdings „Mein Real“ und sehe hübscher aus, aber es gebe ein Problem: Als sich der Handelskonzern Metro vor drei Jahren von Real trennte, stand der Supermarkt ohne großen Handelspartner da und bekam wegen geringerer Marktmacht schlechtere Konditionen. „Durch eine Kooperation mit Rewe sollte das ausgeglichen werden“, sagt Kenning. Doch auch eine Kooperation ist nicht kostenlos. Im Ergebnis könne man zwar grundsätzlich von der Zusammenarbeit profitieren. „Real hat aber immer noch relativ hohe Kosten und die weniger attraktiven Standorte.“
Nun müssen sich viele Menschen einen neuen Job suchen – nicht nur Real-Beschäftigte: In der Heerdter Filiale gibt es einen Friseur, eine Apotheke, einen Bäcker, einen Feinkost-Laden, eine Sushi-Station, einen Schlüsseldienst, eine Lotto-Annahmestelle und eine Currywurst-Bude.