Hilfsangebot in der Corona-Krise Obdachlose müssen Hotels verlassen

Düsseldorf · Wegen der Corona-Pandemie hatte die Stadt Hotelzimmer für Wohnungslose angemietet – damit ist jetzt Schluss. Begründet wird das mit der erfolgreichen Impfkampagne. Hilfsorganisationen sind besorgt.

Sandra Martini verkauft an der Schadowstraße die Straßenzeitung Fiftyfifty – doch Corona mache ihr das schwer.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

Drei bis fünf Fiftyfifty-Zeitungen pro Tag, mehr verkauft Sandra Martini auf der Schadowstraße momentan nicht. „Und wenn ich nicht auf die Leute zugehe, verkaufe ich gar nichts“, sagt sie. „Es ist wegen Corona immer noch sehr schwierig.“ Die Situation der Wohnungslosen in Düsseldorf sei weiter angespannt, sagt auch Fiftyfifty-Geschäftsführer Hubert Ostendorf. „Alle leiden, aber die, die ohnehin benachteiligt sind, trifft es besonders.“ Und auch von der Stadt heißt es: „Die Situation für die Obdachlosen ist fragil.“

Eine großangelegte Hilfs-Maßnahme läuft jetzt allerdings aus: Ende Juli endete die coronabedingte Anmietung von Hotelzimmern durch die Verwaltung, wie die Stadt mitteilt. Die Zimmer waren angemietet worden, um die Lage in den Notschlafstellen zu entzerren, die Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln zu ermöglichen und so die ohnehin vulnerable Gruppe der Obdachlosen vor einer Corona-Infektion zu schützen. 16 Monate lang hatte die Verwaltung bis zu acht Hotelobjekte betrieben, mehr als 200 Menschen wurden hier in Spitzenzeiten untergebracht. Nun wird die Anmietung nicht verlängert – mit einer Ausnahme: Wohnungslose Frauen, die derzeit im Hotel wohnen, dürfen einem Stadtsprecher zufolge bleiben.

Die Entscheidung bleibt auch angesichts der stark steigenden Inzidenzzahlen bestehen – auch weil die Impfkampagne erfolgreich abgeschlossen worden sei, wie der Sprecher sagt. Ein sehr hoher Anteil der Bewohner von Hotels, Notschlafstellen und anderen Infrastrukturen der Obdachlosenhilfe habe sich impfen lassen. Gut kam demnach auch das Angebot an, vom Hotel in eine Gemeinschaftsunterkunft umzuziehen. 

„Ich bin froh, dass fast alle Bewohnerinnen und Bewohner der Hotels unser Angebot angenommen haben“, sagt Miriam Koch, Leiterin des Amts für Migration und Integration. Ganz vom Tisch ist die Anmietung indes nicht – je nach Infektionsgeschehen kann der Krisenstab entscheiden, ob und inwieweit noch einmal Zimmer gebucht werden.

Hubert Ostendorf hätte sich trotzdem eine Weiterführung der Maßnahme gewünscht. „Die Stadt hat wirklich einen tollen Job gemacht in der Krise“, sagt er, „aber das erschließt sich mir nicht. Wo sollen die Leute denn alle hin, vor allem wenn die Zahlen so stark steigen?“

Zumal die Hotels angesichts der Zahlen ohnehin so bald nicht in den regulären Betrieb gehen könnten. Für die Diakonie, die unter anderem mehrere Tagesstätten für Wohnungslose betreibt, ist wichtig, dass es weiterhin ein Angebot gibt, das den Menschen eine Unterkunft außerhalb der Notschlafstellen ermöglicht, wie Sprecher Christoph Wand sagt. „Allerdings etwas weiter draußen, da muss man abwarten, wie das auf Dauer angenommen wird.“

Zudem soll in den Notschlafstellen der Stadt weiter verstärkt auf Abstand und Hygiene geachtet werden. Laut dem Sprecher werden weiterhin maximal zwei Personen in einem Zimmer untergebracht. Außerdem verweist er darauf, dass demnächst die Unterkunft auf der Dorotheenstraße wieder und ein Haus nur für Frauen auf der Friedrich-Ebert-Straße neu eröffnet werden sollen. Bis es mit Letzterem im Herbst so weit ist, können die Frauen der Stadt zufolge im Hotel wohnen bleiben. „Das ist ein wichtiger Schritt, weil Frauen auf der Straße noch einmal einen höheren Schutzbedarf haben“, sagt Diakonie-Sprecher Wand.

Auf ein weiteres Problem haben aber weder Stadt noch Hilfsorganisationen großen Einfluss: das Wetter. Bisher ist der Sommer zwar nicht so heiß wie in den vergangenen Jahren, hohe Temperaturen sind für Wohnungslose aber gefährlich. Viel trinken, sich mit passender Kleidung und Sonnencreme schützen, im Kühlen bleiben – all das ist für Menschen, die keine eigene Wohnung haben oder auf der Straße leben, schwierig. Streetworker, etwa von der Diakonie, von Fiftyfifty und der Stadt verteilen an heißen Tagen deshalb Wasser, Sonnenschutzmittel und luftige Bekleidung.

„Wer direkt helfen will, kann wohnungslosen Menschen aber auch beispielsweise Wasser oder frisches Obst kaufen“, sagt Clarissa Schruck, Leiterin der Diakonie-Tagesstätte Horizont. „An den Leuten nicht vorbeigehen“, empfiehlt Hubert Ostendorf, die Wohnungslosen seien derzeit noch isolierter als sonst. „Man muss die Menschen aus dem Abseits holen.“ Eine kleine Spende oder der Kauf der Straßenzeitung tue niemandem weh, „das ist praktische Solidarität“.

Zudem ruft die Diakonie dazu auf, Wohnungslose bei sommerlicher Hitze nicht von ihren Schattenplätzen und kühleren Aufenthaltsorten zu vertreiben. „Den Menschen sollte der Aufenthalt an schattigen Ecken, in Unterführungen oder U-Bahnhöfen ermöglicht werden“, sagt Clarissa Schruck, denn, so weiß sie, „im äußersten Fall kann ein Schattenplatz lebensrettend sein.“