Kreative Zeiten Tanzstudios unterrichten vom Wohnzimmer aus
Düsseldorf · Stuhl oder Fensterbank ersetzen die Ballettstange, die Lehrer kommen per Live-Übertragung oder über Videos zu den Schülern.
Tänzer leben vom direkten Kontakt mit ihren Schülern – davon, bei der richtigen Ausführung von Figuren zu helfen, oft durch Berührungen. Große Ballettsäle sind für weite Sprünge, für Gruppen-Choreografien unabdingbar. Homeoffice scheint unmöglich – doch nicht für alle.
Einige Studios haben sich umgestellt auf die Möglichkeiten im Internet, um ihren Schülern weiterhin Unterricht zu bieten: Tanz im Wohnzimmer. Dabei gehen sie unterschiedlich vor, bilden sich weiter, werden zu Filmern und Influencern. Es geht für sie darum, ihre Existenz zu sichern – aber auch um die Chance, Kindern und Eltern mit Bewegung und Spaß dabei zu helfen, durchzuatmen.
Sofort online losgelegt hat Lia Rosenthal von der noch jungen gleichnamigen Ballettschule. Unter dem Motto „Stay home and dance“ lädt sie mit Kollegen erarbeitete Videos auf die Plattform Youtube. Stuhl oder die Fensterbank ersetzen die Ballettstange, der Smart-TV oder das Tablet den Pianisten.
„Ich möchte meinen Ballettschülern die Möglichkeit geben, gemäß ihrem Level im Training zu bleiben und auf andere Gedanken zu kommen“, sagt die Tanzpädagogin. Für jedes Niveau ist etwas dabei, auch für Erwachsene und Anfänger.
Die Schüler erhalten Links, aber auch, wer nicht im Studio angemeldet ist, kann das Online-Angebot ausprobieren: Per E-Mail-Anfrage an carlstadt@rosenthal-ballett.de stellt Lia Rosenthal eine Auswahl zur Verfügung. Per Instragram erfüllen die Schüler kleine Aufgaben unter #stayhomeanddance.
Videos oder Liveübertragungen, die nur für die Tänzer des Studios oder Kurses zugänglich sind, machen es den Lehrern leichter. Dabei geht es unter anderem um rechtliche Belange wie Musikrechte. Oder um technische Details wie die beste Tageszeit für eine angemessene Beleuchtung, passende Online-Plattformen und Programme. Aber auch, was im Wohnzimmer auf engem Raum überhaupt möglich ist, steht plötzlich im Vordergrund. Erfahrung mit Social Media oder beim Videoschnitt sind definitiv von Vorteil.
Silke Hester möchte online live Unterricht gegen
Froh darüber ist Silke Hester von der Schule „und Mehr“ in Grafenberg. Sie schneidet die Videos ihrer Schulaufführungen. Unterricht auf online umzustellen, sieht sie als Herausforderung. Mit ihrem Team hat sie seit Mitte März Tage und Nächte investiert – jeder Lehrer für sich – um jeweils angepasste Stunden zu überlegen, zu drehen, zu bearbeiten.
Jeder Kurs hat pro Stunde sein eigenes Video erhalten. „Man kann natürlich nur das zeigen, was die Schüler schon gut kennen, damit sie keine falsch ausgeführten Bewegungen einüben“, erklärt die Studio-Leiterin.
Für die Zeit nach den Osterferien forscht sie schon nach weiteren Möglichkeiten, sie möchte online live unterrichten. „Für den Tanz ist es unabdingbar, dass man sich sehen kann, zum Beispiel Fehlhaltungen korrigieren kann – und wenn es nur über das Internet ist.“
Stefanie Kautz vom Tanzstudio Düsseldorf setzt dies zum Teil schon um. Sie unterrichtet dafür in geschlossenen Facebook-Gruppen, setzt auf Einheiten von vorerst 30 Minuten in Kindertanz und Hiphop. Die Termine für alle stehen auf der Homepage, jetzt sind erst einmal Ferien. Ihre Kollegen stellen Videos direkt auf die Internetseite, darunter in den Bereichen Bauchtanz und im sogenannten Tribal, einer Art Folkloretanz. Sie sind für jeden öffentlich, zum Mitmachen.
Es gibt auch Schulen, die den Unterricht online grundsätzlich kritisch sehen – vor allem, wenn es um Ballett für Kinder geht. Dazu gehört die Ballettschule Pergel-Ernst, eine Berufsfachschule für Bühnentanz.
Für die Kleinen haben sich die Lehrer daher keine Kurse, sondern wenige, spielerische Übungen beispielsweise für die Füße einfallen lassen. Bei den älteren Tänzern, die sich auf ihren Abschluss vorbereiten, sieht das anders aus. Die Schule hat auf digitales Lernen umgestellt, mit allen Möglichkeiten, die Online-Plattformen bieten. „Unsere Schüler setzen kreative Projekte um, die sich auch mit der Situation rund um das Virus befassen“, sagt Claudia Ernst. Und beim Training setzen die Lehrer auf die Erfahrung ihrer Schüler.
Der größte Kurs-Anbieter in Düsseldorf, das Tanzhaus, erarbeitet derzeit noch ein Konzept für eine umfassende digitale Umstellung für das gesamte Haus. Bis dahin halten die Tanzlehrer kreativ den Kontakt zu ihren Schülern, setzen auf Solidarität unter anderem mit einem peppigen Video: „Tanz-zu-haus-nrw“ von nonalotta dance. Ihre Botschaft: Tanz verbindet. youtube.com/watch?v=LhY-IocUIB4