BSW-Politiker in Düsseldorf Ex-OB Geisel präsentiert sich als Putin-Versteher
Düsseldorf · Bei seinem ersten Auftritt als EU-Spitzenkandidat beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) spricht der frühere Düsseldorfer Oberbürgermeister über das Programm der neuen Partei – und den lokalen Wahlkampf.
An diesem sonnigen Samstagmorgen sind etwa 150 Menschen in die Aula einer Düsseltaler Gesamtschule gekommen, um einen altbekannten Politiker erstmals unter neuer Flagge wiederzusehen: Thomas Geisel war sechs Jahre lang OB in Düsseldorf und 40 Jahre lang SPD-Mitglied – aber dieses Jahr tritt er bei der Europawahl als Spitzenkandidat für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an. Dass er im Juni ins EU-Parlament einziehen wird, stehe für ihn außer Frage, sagt Geisel: „Wir werden auch in Düsseldorf ein sehr gutes Ergebnis erzielen, zehn Prozent sind denkbar.“
Tatsächlich steht die neue Partei BSW in Umfragen an fünfter Stelle. Nach Union, AfD, SPD, Grünen, aber vor der FDP. Und weil es bei der Europawahl keine Prozenthürde gibt, ist dem auf Platz 2 gelisteten Geisel ein Sitz in Brüssel ziemlich sicher. Dass der 60-Jährige mit den Themen von Sahra Wagenknecht ein gewisses Publikum abholt, zeigt sich am Applaus während seiner Rede in der Düsseldorfer Aula.
An einer Passage gibt es sogar kurzen Jubel im Saal – genau dann, als Geisel das BSW-Kernthema anspricht: die Lage in der Ukraine. Die Waffenlieferungen, allen voran aus Deutschland, machten keinen Sinn, sagt der Politiker. Selbst wenn Russland „besiegt“ würde, „bräche in dem Land Anarchie aus“. Die Folge: „Ein Land mit Atomwaffen ohne Stabilität. Und die Ukraine als zerstörtes Land, das Rechnungen für den Wiederaufbau in Milliardenhöhe nach Deutschland schickt.“ Weil man dieses Geld hierzulande besser gebrauchen könne, gebe es „keine Alternative, als diesen Krieg sofort zu beenden“. Die Besucher sind begeistert.
Kundgebung mit Wagenknecht
Ende Mai am Schadowplatz
Nach seiner Rede nimmt sich Geisel kurz Zeit für ein Zwiegespräch. Glaubt er wirklich, dass ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine das Ende des Krieges bedeuten würden? Wahrscheinlicher wäre doch wohl das Ende der Ukraine – und womöglich weitere Angriffskriege von Russland Richtung Westen. Nein, sagt Geisel. „Wir müssen Putin ein verhandlungsfähiges Angebot machen.“ Und wie soll das genau aussehen? „Ich würde dem russischen Präsidenten sagen: Wir verzichten auf Waffenlieferungen, wenn du zu einem Waffenstillstand bereit bist – und deine Truppen gleichzeitig von der Front zurückziehst, solange die Verhandlungen laufen.“ Das wäre einen Versuch wert, sagt Geisel. „Und ich glaube, Putin würde das machen. Denn der Krieg ist auch für ihn mittlerweile ein Fiasko.“
Weil der frühere Düsseldorfer OB mit dieser Haltung exakt die Forderung von Sahra Wagenknecht wiedergibt, hat ihm der Karnevalswagenbauer Jacques Tilly im Rosenmontagszug eine eigene Karikatur gewidmet. Der Titel: „Sahras neuer Wagenknecht“. Inklusive Herz-Tattoo mit Namen des russischen Präsidenten auf dem Oberarm der Parteichefin. Geisel sieht den Wagen nicht als Häme, sondern „eher als Ritterschlag“. Nur das Putin-Tattoo mag er nicht. „Warum ist Putin-Versteher so negativ besetzt“, fragt Geisel. „Ich wünschte, jemand würde ihn verstehen.“
Mit seinem in Düsseldorf formulierten Friedensangebot jedenfalls glaubt er, in Moskau Gehör zu finden. Ob Geisel damit auch in seiner Heimatstadt breit ankommt, wird sich ab Ende April zeigen. Dann beginnt der Straßenwahlkampf für die Europawahl, dann werden auch Plakate von ihm als BSW-Kandidat in der Stadt hängen. Für Ende Mai ist eine Kundgebung mit Sahra Wagenknecht am Schadowplatz geplant. Thomas Geisel erhofft sich dabei, die „Mitte der Gesellschaft“ zu erreichen.