Aktionstag in Düsseldorf Fremde schütten auf Zuhör-Bank oder am Zuhör-Kiosk ihr Herz aus
Düsseldorf · Beim Aktionstag an der Rheinuferpromenade nahmen sich Menschen Zeit, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Auch einen Zuhör-Kiosk gab es.
Bürgermeister Josef Hinkel scheut bekanntlich keine Bühne. Dass er aber auch ein sehr guter Zuhörer ist, bewies der Bäckermeister beim Aktionstag der soziokulturellen Initiative „Zuhören. Draußen. Düsseldorf schafft Nähe“. Auf der so genannten „Bürgermeisterbank“ hörte sich Hinkel genauso wie seine Bürgermeister-Kollegin Clara Gerlach an, wie Menschen mit der zunehmenden Vereinsamung durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie klar kommen. Gleichzeitig setzte die Initiative einen Kontrapunkt zur Einsamkeit und lud jedermann zu einem Gespräch ein, das die neu gewonnene Freiheit nach Aufhebung der Corona-Einschränkungen mit persönlicher und nicht nur virtueller Nähe verband.
„Ich habe mit einer älteren Dame gesprochen, deren Partner vor kurzem verstorben ist. Wenn man plötzlich alleine zu Hause ist, vertieft das die Einsamkeit in den eigenen vier Wänden“, erläutert Hinkel. „Es war berührend, als sie erzählte, wie sie sich durch die Übernahme eines Ehrenamts aus ihrer häuslichen Einsamkeit befreit hat.“ Und doch war es ihr ein Bedürfnis zu reden. Das geht manchmal mit Fremden ja besser als mit Freunden.
Die Initiative besteht seit Oktober 2021. Seitdem gehen Ehrenamtliche in Parks und auf Plätze, um Menschen ein offenes Ohr zu schenken und so ein Zeichen für Offenheit und Toleranz und gegen Spaltung und Einsamkeit zu setzen. Die Idee zur Initiative hatte Christine von Fragstein. Inzwischen haben sich neben der Landeshauptstadt mit dem Seniorenrat auch die Pop-up-Seelsorge, die Zentren plus der Diakonie und Arbeiterwohlfahrt sowie „Hallo Nachbar!“ oder das interkulturelle Gemeindecafè Café.komm angeschlossen. Am Aktionstag standen zwischen Burgplatz und Pegeluhr Zuhör-Bänke und am Zuhör-Kiosk konnte jeder mit jedem quatschen, sein Leid klagen oder seine wiedergewonnene Lebensfreude herausschreien. Angelockt wurden Spaziergänger durch ein buntes Rahmenprogramm mit viel Musik. So standen das Barbara-Oxenfort-Trio und die Band Hannaford auf der Bühne. Das schaffte eine Nähe zur Jazz Rally. „Es ist an der Zeit, wieder aufeinander zuzugehen, Dialoge zu beginnen und Nähe zu schaffen“, sagte Oberbürgermeister Stephan Keller. „Viele Personen in unserer Gesellschaft haben das Gefühl, dass ihnen nicht zugehört wird. Insbesondere für diese Menschen, aber auch alle anderen Mitbürger, werden am Aktionstag neue Begegnungsräume geschaffen.“
Ein offenes Ohr hatte auch die 39 Jahre alte Ehrenamtliche Jacqueline. „Unsere Welt ist so komplex, die kann man alleine gar nicht mehr umfassend wahrnehmen. Reden hilft dabei festzustellen, ob die eigene kleine Welt gut ist oder ob es andere Perspektiven gibt. Reden ist eine Form der Orientierung und Erdung.“