Düsseldorfer kämpft für die Vielfalt

Matthias Weber engagiert sich im Völklinger Kreis, dem Berufsverband für schwule Führungskräfte. In diesem Jahr sitzt der 43-Jährige gleich in drei bundesweiten Jurys.

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Düsseldorf. Matthias Weber hat unter anderem Arbeitspsychologie studiert, das hat sich in seinem Berufsleben immer wieder als hilfreich erwiesen. Der Düsseldorfer weiß, was es ausmacht, wenn gesellschaftliche Entwicklungen in einem Unternehmen sichtbar werden, was passiert, wenn Mitarbeiter plötzlich Vorbilder in ihren Firmen entdecken. Deshalb hat sich Matthias Weber entschieden, in der Jury mitzuarbeiten, die eine Top100-Liste schwuler, lesbischer und bisexueller Führungskräfte veröffentlichen möchte - natürlich mit dem Einverständnis der 100 Genannten.

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Matthias Weber weiß auch, wie es ist, wenn es das nicht gibt. Als der heute 43-Jährige seine erste Führungsaufgabe übernahm, gab es keine schwule oder lesbische Führungskraft, die er kannte, die er um Rat hätte fragen können. „Ich hatte lange das Gefühl, ich bin der einzige.“ Weber ging die Herausforderung allein an und entschied sich zu einer Schritt-für-Schritt- oder Kreis-für-Kreis-Lösung. Wichtigste Regel für ihn selbst: nie lügen oder verstecken. Zweite Regel: Behutsam vorgehen. Weber sprach erst mit seinem Vorgesetzten, dann mit den Mitgliedern seines Teams, dann mit weiteren Kollegen. Richtig öffentlich hat er seine sexuelle Orientierung vor fünf Jahren gemacht - mit erstaunlichen Erfahrungen: „Eine Mitarbeiterin hat einen Artikel über mich gelesen und mich daraufhin sehr positiv angesprochen. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir signalisieren, dass eine Führungskraft authentisch ist und ein offenes Ohr hat. Das gilt für alle Dimensionen der Vielseitigkeit“, sagt der Mann, der bei der Postbank Mitglied der Geschäftsleitung Nordwest ist.

Diese Erfahrung soll auch die genannte Top100-Liste bewirken. In Großbritannien und Frankreich hat es solche Listen bereits gegeben und großes Interesse in der Gesellschaft gefunden. In Deutschland hat bisher nur eine überschaubare Zahl an Führungskräften sexuelle Orientierung zum Thema gemacht. Das würde sich nun ändern. „Und das macht etwas mit der Gesellschaft. Das verändert Toleranz und Akzeptanz.“

Matthias Weber ist Mitglied im Vorstand des Völklinger Kreises, Berufsverband für schwule Führungskräfte und Selbstständige. Der Kreis hat seine mehr als 700 Mitglieder angeschrieben und nach ihrer Meinung zu der Top100-Liste gefragt. „Wir hatten an dem folgenden Wochenende regen Schriftverkehr und zum Glück auch sehr viele Mitglieder, die unsere Idee teilen, und auch viele, die ihrer Nominierung für die Liste zustimmten.“

Die Jury zur Liste ist eines von drei Auswahl-Gremien, denen Weber dieses Jahr angehört und mit denen er für mehr Vielseitigkeit kämpft. Die zweite Jury ist die des Max-Spohr-Preises, die dritte gehört zu einem Förderprogramm für Nachwuchsführungskräfte im Bereich der sexuellen Orientierung.

Max Spohr war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Verleger, der sich für die Emanzipation sexueller Minderheiten, für Toleranz und Aufklärung eingesetzt hat. Der nach ihm benannte Preis wird alle zwei bis drei Jahre vergeben an Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, die auf vorbildliche Weise Vielfalt in ihren Organisationen fördern (Diversity Management). Ausgezeichnet wurden in den vergangenen Jahren unter anderem die Deutsche Bank, SAP und Daimler sowie die Städte Dortmund und München.

Der Nachwuchspreis („Future Leaders“) ist mit den Erfahrungen verknüpft, die Weber selbst gemacht hat. Es gibt zwar heute Vorbilder, Netzwerke, Diversity-Beauftragte, aber die Talente können ein Mentoren-Programm immer noch sehr gut gebrauchen. Das belegt die Studie „Out im Office“: Danach ist der Anteil der Beschäftigten, die offen über ihre sexuelle Identität sprechen in den vergangenen Jahren auf ein Drittel gestiegen. „Aber was ist mit den anderen 70 Prozent?“, fragt Weber.