Showdown im Wehrhahn-Prozess in Düsseldorf
Am Dienstag soll die Staatsanwaltschaft mit den Plädoyers beginnen. Der Angeklagte ist weiter auf freiem Fuß.
Düsseldorf. Wenn es in einem Prozess um zwölffachen versuchten Mord geht und der Angeklagte sich auf freiem Fuß befindet, ist das ein deutliches Zeichen. Genau das ist die Situation im Prozess um den Bombenanschlag Am Wehrhahn, bevor am Dienstag vor dem Landgericht die Staatsanwaltschaft mit ihrem Plädoyer beginnen soll. Für die Kammer um den Vorsitzenden Richter Rainer Drees ist Ralf S. nicht mehr dringend tatverdächtig. Bereits Mitte Mai war der 51-Jährige aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil die Zeugenaussagen „nicht hinreichend belastbar“ gewesen seien.
Wie geht es jetzt weiter? Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen. Das heißt, es werden voraussichtlich keine weiteren Zeugen mehr gehört. Es sei denn, die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger stellen am Dienstag noch neue Anträge, nachdem der Prozess zwei Wochen Pause hatte. Die Verteidiger hatten bereits angekündigt, dass sie keine weiteren Zeugen hören möchten.
Kann der Prozess noch eine Wende nehmen? Wenn auf den bisher vorliegenden Aussagen und Fakten ein Urteil gefällt wird, ist Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück in einer schwierigen Situation. Für ihn ist Ralf S. aufgrund der Indizienlage eindeutig überführt. Bisher konnte er das Gericht davon aber nicht überzeugen. Auch seine spät präsentierten neuen Zeugen änderten daran nichts. Die Ex-Ehefrau des Angeklagten, die lange nicht aussagen wollte, hatte kaum Neues mitzuteilen. Und der ehemalige Mithäftling aus Krefeld, dem Ralf S. angeblich den Anschlag gestanden hatte, verweigerte die Aussage, obwohl Beugehaft angeordnet wurde. Ob er das Gericht mit einem leidenschaftlichen Plädoyer noch umstimmt, ist fraglich.
Warum ist es so schwierig, Ralf S. zu überführen? Zum einen ist die Tat inzwischen bereits 18 Jahre her. Viele Zeugen können sich an Details kaum noch erinnern. Und es gibt keine handfesten Beweise, dass der Angeklagte die Bombe gebaut hat, die zehn überwiegend jüdische Sprachschüler zum Teil lebensgefährlich verletzt hat. Hinzu kommt, dass einige der Belastungszeugen, vor allem seine Ex-Partnerinnen, noch eine Rechnung mit dem 51-Jährigen offen haben, der bis zu drei Beziehungen gleichzeitig führte. Und auch der Mithäftling, der die Ermittlungen 2014 überhaupt erst wieder uns Rollen gebracht hatte, konnte das Gericht mit seiner Aussagen nicht von der Schuld überzeugen.
Kann es einen „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft geben? In vielen Verfahren gibt es einen Deal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Das würde bedeuten, der Angeklagte legt ein Teilgeständnis ab und kann im Gegenzug auf eine milde Strafe hoffen. Im Wehrhahn-Prozess geht es aber um alles oder nichts. Bei einer Anklage wegen zwölffachen versuchten Mordes gibt es keinen Spielraum für Verhandlungen. Entweder gibt es eine langjährige Haftstrafe oder einen Freispruch.
Steht hinter Ralf S., ein rechtes Netzwerk? Viele Prozessbeobachter aus der linken Szene hatten gehofft, dass der Prozess Aufschluss über mögliche Hintermänner gibt. Deutlich wurde, dass Ralf S. latent ausländerfeindlich ist und Kontakte zur Nazi-Szene hatte. Nachdem er aus der Haft entlassen wurde, lebt er allerdings in einem Zelt im Wald. Das deutet nicht darauf, hin dass der Mann gut vernetzt ist.
Was passiert bei einem Freispruch? Wenn Ralf S. freigesprochen wird, kann er pro Tag Untersuchungshaft 25 Euro Entschädigung beantragen. In dem besonderen Fall könnten auch noch weitere Schadensersatzansprüche anfallen.