Forschung in Düsseldorf So trifft man die richtigen Entscheidungen
Düsseldorf · Oft wählen Menschen den falschen Weg wider besseres Wissen – warum das so ist, erforscht ein Düsseldorfer Psychologe.
Das Leben ist eine endlose Kette von Entscheidungen, angeblich 20 000 trifft der Mensch jeden Tag. Viele werden automatisch abgespult, man denkt ja nicht darüber nach, sich die Zähne zu putzen oder beim Autofahren in einen höheren Gang zu schalten. Andere werden aus dem Gefühl getroffen oder nach reiflicher Überlegung. Und oft erweist sich der Mensch als irrationales Wesen, wählt den falschen Weg wider besseres Wissen. Warum ist das so? Mit dieser Frage beschäftigt sich Tobias Kalenscher, Professor für Vergleichende Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Und er hat einige Tipps, wie sich richtige Entscheidungen trainieren lassen.
Wer kennt sie nicht, die Qual der Wahl? Zu welchem Joghurt aus der unendlichen Fülle im Supermarkt soll man greifen? Im Urlaub auf die ferne Insel oder zum Wandern in die Eifel? Pünktlich aufstehen oder doch noch etwas liegen bleiben? Zu Fuß ins Büro gehen oder bequem mit dem Auto fahren? So manche Entscheidung hängt von Tagesform, Lebenssituation und Gewohnheiten ab. Schwieriger wird es bei den großen Lebensfragen: ein Haus kaufen, den Job wechseln, in eine andere Stadt ziehen, sich scheiden lassen. Da ist der Kopf gefragt, der abwägt und die Konsequenzen bedenkt.
Denn die Angst vor dem falschen Entschluss ist groß und wird deshalb oft hinausgezögert. „Viele Menschen treffen eine Entscheidung, um später nichts bedauern zu müssen“, sagt Kalenscher. Das gilt erst recht in Alltagsdingen. Wie bei dem Mann, der seit vielen Jahren Lotto spielt, genau weiß, dass seine Gewinnchancen minimal sind, aber trotzdem nicht aufhört, weil ja genau dann seine Zahlen kommen könnten. Soll er sich auf sein Gefühl verlassen oder auf die Vernunft hören? Der Bauch gewinnt – er spielt einfach weiter. Doch oft scheint der spontane Entschluss auch ganz richtig zu sein. Tobias Kalenscher zitiert eine Studie, wonach Menschen, die spontan ein Haus gekauft haben, im Nachhinein zufriedener mit ihrem Entschluss waren, als die, die ewig gegrübelt haben. Sie haben sich auf ihre Intuition verlassen, auf „ein gefühltes Wissen, das auf Erfahrung beruht“, so Kalenscher.
Andererseits sei es oft empfehlenswert, so der Psychologe, dass die Intuition durch die Vernunft diszipliniert und gestärkt wird. „Dann würden wir vielleicht nicht so viele dumme Entscheidungen treffen.“ So weiß wohl jeder, dass es wichtig ist, im Alter körperlich fit und gesund zu sein. Was viele Menschen nicht daran hindert, trotzdem zu rauchen, sich zu wenig zu bewegen und zu oft Pizza und Schokolade in sich hineinzustopfen. Zweifellos besser wäre es, den Verstand bewusst gegen das kurzfristige Bedürfnis einzusetzen. Aber warum fällt das vielen Menschen so schwer? „Wir treffen falsche Entscheidungen auch deshalb, weil die Folgen erst in ferner Zukunft spürbar sind“, so Kalenscher.
Deshalb gewinnen die momentanen Vorlieben oft den Wettkampf gegen die Zukunftspläne – da wird das angesparte Geld lieber für ein neues Auto ausgegeben, statt in die Altersvorsorge zu investieren. Oder der Besuch beim Zahnarzt wird abgesagt, weil der Patient ahnt, dass es ein bisschen weh tun wird. Und ignoriert dabei, dass die Schmerzen dadurch wohl nur schlimmer werden.
Sich selbst auszutricksen
kann eine Hilfe sein
Tobias Kalenscher: „Nicht alles, was sich kurzfristig gut anfühlt, ist auch langfristig klug.“ Hilfreich sei es deshalb, sich bei wichtigen Entscheidungen Zeit zu nehmen und die Fakten abzuwägen, also erst einmal eine Nacht darüber schlafen, sei nie verkehrt. Auch deshalb: In Stresssituationen werden Cortisol und Adrenalin ausgeschüttet, die ein abwägendes, kritisches Nachdenken unterdrücken und deshalb spontane Entscheidungen begünstigen. Helfen könne auch, so Kalenscher, das Prinzip der „Zeitmaschine“, bei der man gedanklich in die Zukunft springt und aus dieser Perspektive auf die aktuelle Situation zurückblickt.
Manchmal helfe es auch, sich selbst auszutricksen. Wer zum Beispiel einen Wecker kauft, der beim Weckgeräusch wegläuft, wird gezwungen wie geplant aufzustehen, statt noch ein Weilchen zu schlummern. Und in der geplanten „Leckermaulstudie“ wollen die Uni-Psychologen herausfinden, welche Mechanismen hilfreich sind, um in Stresssituationen eben nicht Süßigkeiten in sich hineinzustopfen. Für die Experimente, wie man sich bei solchen Gelüsten erfolgreich bremsen kann, werden übrigens noch Probanden gesucht. Infos unter versuchspersonen@hhu.de.
Offenbar neigen viele Menschen auch dazu, die eigenen Erfahrungen deutlich höher zu bewerten als die abstrakten Fakten. Deshalb werden die Gefahren des Klimawandels von vielen unterschätzt, während die möglichen Nebenwirkungen eines Medikaments, das verschrieben wurde, stärker gewichtet werden, als es vernünftig ist. Generell gilt: Niemand entscheidet immer richtig. Oder wie Charlie Chaplin gesagt hat: „An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.“ Erst im Nachhinein wird sich entscheiden, ob man richtig oder falsch abgebogen ist. Tobias Kalenscher erinnert sich an eine Situation in seinem Leben: Als er in Amsterdam lebte, beschloss er, sich ein kleines Boot zu kaufen, um durch die Grachten zu schippern. „Eine absolut richtige Entscheidung!“