Gabriele Henkel ist tot Düsseldorfs Grande Dame Gabriele Henkel - Ihre Liebe galt zeitlebens der Kunst
Gabriele Henkel ist tot. Die Mäzenin und Kunstexpertin mit der blonden Mähne und der dunklen Sonnenbrille war die Grande Dame des Rheinlandes.
Düsseldorf. Gabriele Henkel ist tot, die letzte Grande Dame hat die gesellschaftliche Bühne verlassen. Mit Geist, Charme und Selbstbewusstsein brachte sie die Welt des Geldes, der Macht und der Kunst in ihren Abend- und Tischgesellschaften zusammen. Die Witwe des 1999 gestorbenen Firmenpatriarchen Konrad Henkel hat das Leben in vollen Zügen genossen, selbst im hohen Alter von 85 Jahren. Und sie bestellte ihr Feld, brachte noch kurz vor ihrem Tod ihre eigenen Memoiren heraus und stellte wenige Tage vor ihrem Ableben ihre allerletzte Tischdekoration für das Düsseldorfer Hetjens-Museum bereit.
Sie besaß Mut schon als Teenager. Als 16-Jährige schickten ihre Eltern sie nach London, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche. Als Au-pair-Mädchen sollte sie Englisch lernen. Doch das Mädchen lernte schnell, wurde Journalistin und jüngstes Mitglied der Bundespressekonferenz, ohne viel Schulbildung, aber gesegnet mit praktischem Verstand. Mit 20 Jahren war sie unter der Haube, verheiratet mit einem geschiedenen Mann aus der Henkel-Dynastie, der schon drei Töchter aus erster Ehe hatte. Weder die Familie Henkel noch die eigene Familie waren glücklich über diese Liaison. Doch Gabriele legte los, um an der Seite dieses „Seifenfritzen“, wie ihr Vater, der Herr Professor Theodor Hünermann, anfangs meinte, der High Society den Mief der 1950er Jahre auszutreiben.
Ihr eigener Aufstieg zur Königin der Künste begann in den 1960er Jahren, als sie die Hühnerleiter zu den Zero-Ausstellungen emporkletterte, den Galeristen Alfred Schmela in Oberkassel besuchte und den Nagelkünstler Günther Uecker sofort in ihr Herz schloss. Die Düsseldorfer Kunstszene vibrierte, und sie war Teil davon.
Sie war eine geistvolle Frau in einer kreativen Runde. Sie ließ im Düsseldorfer Schauspielhaus unter Karl-Heinz Stroux keine Premiere aus, kannte sie doch alle von Minetti bis Ionesco, hatte eine Liebe zum Boulevard wie zum gehobenen Theater und wählte den Bühnenbildner Pit Fischer und den Regisseur Robert Wilson zu ihren Kunst- und Lebensbegleitern.
Ihr Salon in Düsseldorf und später in Hösel war ein Gegenentwurf zur Welt des Geldes, obwohl auch sie natürlich nicht ohne den finanziellen Background ihres Mannes und dessen Konzern auskam. Hier verstand sie es, Menschen aus allen Kreisen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, zusammenzubringen. Dabei gewann sie zugleich ihren eigenen Stil, inszenierte fantastische Räume und Gärten. Diese Tableaus, für die sie sogar einen Ruf als Professorin für Ästhetik erhielt, toppten Kunst und Kunstgeschichte. Ihr letztes Werk vollendete sie nur wenige Tage vor ihrem Krankenhaus-Aufenthalt für das Hetjens-Museum, wo sie mit Wasserstein und magisch blauem Licht selbst den Fußboden zum Klingen brachte.
Ihre Liebe galt der Kunst. Ohne Google-Suchmaschine, ohne Einflüsterungen durch den Kunstmarkt, dafür voller Spontaneität zog sie los, auf dass der Waschmittel—Konzern die reinigende Wirkung der Kunst zu spüren bekam. Die abstrakte Kunst steht im Zentrum der Firmen-Sammlung, mit dem Werk ihres Freundes Frank Stella im Mittelpunkt. Stella war jahrzehntelang ihr wichtigster Dialogpartner. Aber sie trug auch die Kunst der Naturvölker und der Volkskunst zusammen, selbst Navajo-Decken kaufte sie an.
„Kümmern Sie sich um Ihre Begabung“, soll ihr Joseph Beuys bei einem der Festessen gesagt haben. Diese Devise befolgte sie bis zuletzt. Die 40 Aquarelle und Mischtechniken, die derzeit im Düsseldorfer Keramikmuseum hängen, sind ein Ausschnitt aus 2500 Papierarbeiten. Wie eine Besessene hat sie sich in ihre eigene Kunst gekniet, vor allem dann, als die meisten ihrer Freunde weggestorben waren.
Wer ihre Memoiren liest, die in sechster Auflage erschienen, trifft aber auch auf eine Persönlichkeit mit eigenem Stolz. Sie begnügte sich nie mit der Aufgabe als Ehefrau, als Sammlerin und Gesellschafterin, sondern sie gab sich selbst die Rolle als „Liebende“, wie sie es nannte. Henry Kissinger, Hildegard Knef, Gunter Sachs, Joseph Beuys, Robert Wilson, Andy Warhol, Ionesco, Frank Stella, allesamt Persönlichkeiten aus Kunst, Mode, Politik und Gesellschaft, waren ihre Freunde und lagen ihr allzu oft auch zu Füßen. Sie liebte, und sie wollte geliebt werden.
Wie ein junges Mädchen stand sie am Eingang des NRW-Forums und wartete auf Karl Lagerfeld, um ihn zu umarmen. Ihre Verehrer sahen in ihr immer auch die schöne Frau. Erst im hohen Alter versteckte sie ihr Gesicht hinter einer dunklen Brille.
In Erinnerung bleibt sie mit ihrer Kythera-Kultur-Stiftung. Jährlich wird ein Künstler ausgezeichnet, der sich Verdienste um den Kulturtransfer zwischen Deutschland und den romanischen Ländern erworben hat. Zu den Geehrten, die den mit 25 000 Euro dotierten Preis erhielten, gehörten Regisseur Patrice Chéreau, Dirigent Claudio Abbado, Schriftsteller Claudio Magris und Imi Knoebel.