Düsseldorf Ein Zuhause für Frauen ohne Zuhause — seit 40 Jahren

Die Einrichtung „Icklack“ der Diakonie hilft seit vier Jahrzehnten wohnungslosen Frauen. Wie der 65-jährigen Gabriele Kremer.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Gabriele Kremers Abstieg von gut betucht zu obdachlos begann mit dem Tod ihres Mannes. „Ich war reich — und habe dann plötzlich mein ganzes Geld verschleudert durch zwecklose Käufe.“ Ihre Freunde zogen sich zurück, während auch sie sich zurückzog, in sich selbst, in ihre Wohnung, zu Chips und Konsum. Rechnungen verschwanden ungelesen in der Schublade. Bis die Zwangsräumung kam. So landete die 65-Jährige in der Icklack, dem Diakonie-Haus für wohnungslose Frauen. Ein Weg, den Gabriele Kremer inzwischen mit hunderten Frauen teilt: Die Einrichtung wird an diesem Mittwoch 40 Jahre alt.

„Ich hatte mir etwas ganz Anderes vorgestellt, als ich hierherkam“, erinnert sich Gabriele Kremer. Ein Frauenhaus eben, ein Heim. Aber in der Icklack leben die Frauen eher in WGs — entweder im Haus oder in Wohngruppen in der Nachbarschaft. Gemeinsames Bad und Wohnzimmer, aber eigene Schlafzimmer.

Das war eine der wichtigsten Veränderungen, glaubt Helma Hesse-Lorenz, die das Haus seit 1988 leitet. Zu Beginn gab es noch Doppelzimmer, fungierte die Icklack auch als Notaufnahme. Bis zu 300 Frauen im Jahr wurden durchgeschleust. Heute besorgt diesen Teil des Jobs die Unterkunft Ariadne — ebenfalls Diakonie — in der Querstraße. In der Icklack bleiben die Bewohnerinnen bis zu zwei Jahre, haben Zeit, sich zu entspannen, zu sortieren und neu anzufangen.

Fünf Sozialarbeiterinnen stehen den Frauen dabei zur Seite. Eine Hilfe, die für Gabriele Kremer Gold wert war. Sie profitierte besonders von der engen Vernetzung der Einrichtung, etwa mit der Schuldnerberatung. Die 65-Jährige hat jetzt einen Plan. „Wenn ich 70 bin, bin ich schuldenfrei“, sagt sie lächelnd. Sie hat eine Wohnung gefunden — ganz selbstständig im Internet, ist allein zur Besichtigung gegangen. Und hatte Glück, dass die Vermieterin ihr trotz Schufa-Eintrags eine Chance gab. „Jetzt wohne ich in meiner Traumwohnung in Gerresheim — aber ich weiß, dass ich in der Icklack jederzeit aufschlagen kann.“

Viele der ehemaligen Bewohnerinnen kommen noch zu Kaffee und Klönen vorbei. Auch die unterschiedlichsten Frauen werden in der Icklack durch ihre gemeinsame Geschichte zusammengeschweißt. Wie Gabriele Kremer und die 40-jährige Andrea Korn. Ihre Familie wanderte in die USA aus, als sie noch ein Kind war. Vor anderthalb Jahren stand sie dann am Düsseldorfer Flughafen. „Ich bin mit nur einem Koffer hier angekommen.“ Wieso? Da sei „eine sehr lange Geschichte“, antwortet sie ausweichend. Nur so viel: Sie lief davon vor Gewalt und Kriminalität. Auch für sie war die Icklack Endstation — und Neuanfang. „Ich habe hier alle Hilfe bekommen, die ich gebraucht habe“, sagt sie. „Und ich habe Freunde gefunden.“ Im Juni hat sie eine eigenen Wohnung in Golzheim bezogen, fühlt sich in Düsseldorf angekommen und zu Hause.

Eine Geschichte, auf die Icklack-Leiterin Helma Hesse-Lorenz stolz ist. Es gibt aber auch die anderen. Die Frauen, die wieder verschwinden. Oder diejenigen, die nie ankommen. Denn für die 31 Plätze gibt es eine Warteliste. „Gerade die jungen Frauen halten das Warten oft nicht aus und behelfen sich irgendwie anders“, erklärt Hesse-Lorenz — so sank der Anteil der 18- bis 25-Jährigen in der Icklack von 50 auf jetzt noch rund 25 Prozent. Der Wunsch der Leiterin zum 40. Geburtstag liegt daher auf der Hand: „Mehr Wohnungen!“ Nicht nur für die Einrichtung, auch für ganz Düsseldorf. Andrea Korn musste sechs Monate suchen, bevor sie eine kleine Wohnung für sich fand — Zeit, in der eine andere Frau in Not ihren Platz in der Icklack gut hätte brauchen können.