Düsseldorf EMS-Test: „Eine effektive Geschichte“

Halbzeit beim Acht-Wochen-Experiment: Training unter Strom. Experte spricht über Effekte und angebliche Risiken.

Düsseldorf. „Können wir noch einen hoch?“ Trainer Tim Koritki grinst, die Hand schon am Rädchen. Der grüne Balken auf dem Display wird breiter. 60 Prozent. Eine gelbe Anzeige zählt herunter, bis der nächste Impuls kommt. Dann blinkt eine rote 15 auf. 15 Sekunden Strom nonstop! Die Bauchmuskeln ziehen sich zusammen, das Atmen fällt schwer. Die Hände zucken. Halbzeit beim Acht-Wochen-Selbsttest des Trainings aus der Steckdose. Das fühlt sich inzwischen schwer effektiv an. Die Experten aber streiten sich darüber.

Foto: Melanie Zanin

Nach vier Trainingseinheiten unter Strom, bei denen jetzt kräftig der Schweiß fließt, hat sich der Magen an das ständige Kontrahieren der Bauchmuskeln gewöhnt — und der Kopf daran, nicht mehr die volle Kontrolle über den Körper zu haben. Ausfallschritt mit seitlicher Drehung. Breitbeinig in die Knie gehen und dann auf die Zehenspitzen. Oberkörper nach vorne und Arme nach oben ausstrecken. Alles kein Problem mehr. Bei Bauch, Rücken, Gesäß und Beinen darf Tim Koritki jetzt ruhig mal auf 60 bis 70 Prozent hochdrehen — ein guter Wert, sagt er.

Aber bringt es wirklich etwas? Die WZ hat nachgefragt bei Dr. Michael Behringer vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Und er stellt erst einmal fest: „Ich kann mit EMS-Training tatsächlich positive Effekte in der Muskulatur erzeugen.“ Auf sehr natürliche Weise, weil schließlich die Muskeln auch vom Gehirn durch Stromreize angsteuert werden. „Es ist eine effektive Geschichte“, so Behringer.

Das sieht Dr. med. Ulrich Keil vom Cardio-Centrum Düsseldorf kritischer: Die wissenschaftlichen Studien zur Wirkung von EMS überzeugten ihn bislang nicht. Und auch im Profisport finde es quasi keine Anwendung — Keil betreut zahlreiche Profisportler, darunter Eishockey- und Fußballspieler sowie Marathonläufer. Und: Ein Training der Koordinationsfähigkeit ebenso wie psychische Effekte von klassischem Sport blieben aus.

Gestritten wird in Fachkreisen auch über angebliche Risiken des EMS — Nierenschäden etwa werden der Methode immer wieder vorgeworfen. Dr. Behringer aus Köln sagt dazu: Die Dosis macht das Gift. Und im Prinzip kann der Stromimpuls, der in den Muskel schießt, nun einmal enorm hochgeregelt werden. „Dann kann es zu Mikroschädigungen im Muskel kommen“, erklärt der Forscher. Und dadurch würden Stoffe frei, die von den Nieren abgebaut werden müssen — Creatinkinase.

Das treibe den berüchtigten CK-Wert in die Höhe. Nach einem klassischen intensiven Training liege der bei 300 bis 400 — bei Tests an der Sporthochschule mit EMS zusätzlich sei er bei Probanden auf bis zu 30 000 geklettert. Bestätigte Berichte über ein Nierenversagen gibt es laut Behringer aber nicht. Und: So hohe Werte träten für gewöhnlich nur bei der ersten EMS-Einheit auf, wenn sie übertrieben werde. Sein Tipp: „Langsam die Intensität steigern! Wenn der Körper eine Chance hat, sich anzupassen, ist das Training unproblematisch.“