Esther Mujawayo-Keiner: Sie hilft, weil sie den Schrecken kennt
Esther Mujawayo-Keiner ist aus Ruanda nach Deutschland emigriert. Heute hilft sie anderen Menschen auf der Flucht.
Düsseldorf. Es sind Gedanken über Gedanken, die in Esther Mujawayo-Keiners Kopf umherschwirren, Gedanken an gute und schlechte Zeiten, an Krieg, an den Tod, an das Überleben. Es sind Fragen, die sich mit Schuld und Täterschaft beschäftigen, mit einer bewegten Geschichte, den Memoiren zweier Länder.
Esther Mujawayo-Keiner stammt aus Ruanda, wurde dort vor 56 Jahren geboren. Sie arbeitete als Grundschullehrerin, studierte Sozialarbeit und Soziologie, engagierte sich als stellvertretende Landesrepräsentantin einer Entwicklungsorganisation für Ruanda — bis zum Jahr 1994, für sie ein Jahr des Schreckens.
Es ist das Jahr des Genozides in Ruanda, bei dem rund eine Millionen Menschen, Tutsi und oppositionelle Hutu, ermordet wurden, auch Mujawayo-Keiners Mann und der Großteil ihrer restlichen Familie. Sie überlebte das Verbrechen zusammen mit ihren drei Töchtern, fliehen konnte sie zuerst nicht. Alles sei abgesperrt gewesen, an ein Entkommen nicht zu denken.
Und doch ist sie sechs Jahre später nach Deutschland emigriert, lebt seitdem hier mit ihrem neuen Mann. Sie engagiert sich seither für Flüchtlinge in Düsseldorf, arbeitet im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge (PSZ). Wenn sie an die Geschichten ihrer beiden Länder denkt, entdecke sie immer wieder Parallelen, sagt sie. Der Genozid von 1994 erinnere sie an den Holocaust in Deutschland.
Und auch heute seien die Schatten der dunklen Vergangenheit Deutschlands noch nicht verflogen, wie sich in der aktuellen Flüchtlingssituation zeige, erklärt sie. „Um Flüchtlinge aufnehmen zu können, müssen die Bewohner eines Landes mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen haben — sonst kann es nicht gelingen“, sagt Mujawayo-Keiner. „Wenn der Großvater eines Beamten in einem Konzentrationslager Menschen das Leben genommen hat — wie kann dieser Beamte dann mit gutem Gewissen einem Flüchtling eine Aufenthaltsgenehmigung ausstellen?“
Oft würden Flüchtlinge nur als Verwaltungsakt behandelt, es würden lediglich die Probleme gesehen, die sie mit nach Deutschland bringen. „Die Potenziale, die sie mitbringen, werden nicht beachtet, nicht erfasst, keiner interessiert sich dafür, was diese Menschen uns geben könnten.“
Bei einer bundesweiten Fachtagung des Verbandes der psychosozialen Flüchtlingszentren war Esther Mujawayo-Keiner eine der Rednerinnen, erzählte ihre bewegte Geschichte, teilte ihre Erlebnisse und Gedanken. „Flüchtlingsarbeit im Täterland“ lautete das Motto der Tagung, über 100 Gäste aus 14 Bundesländern waren dazu in Düsseldorf zu Gast.