Facharbeitermangel — eine Chance für viele
Jammern hilft nicht: Nur mit flexiblen Strategien lassen sich künftige Probleme in den Griff kriegen. Manche Modelle gibt es bereits.
Düsseldorf. Die Zahlen sind alarmierend: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) erwartet in den kommenden 20 Jahren eine Arbeitslücke von 33 000 bis 53 000 Erwerbstätigen im Raum Düsseldorf.
Auch die Firmen in der Stadt werden laut IHK-Hauptgeschäftsführer Udo Siepmann betroffen sein, obwohl die Stadt-Bevölkerung wachsen wird. Viele Facharbeiter aus der Region, so seine Prognose, werden aufgrund von Arbeitsplätzen an ihrem Heimatort nicht mehr in die Stadt pendeln.
Fehlender Nachwuchs? Wie können junge Menschen für bestimmte Berufe begeistert werden, damit die drohenden oder schon existierenden Lücken geschlossen werden? Viel stärker als früher müsse man jetzt die Schul- und Studienabbrecher (siehe Kasten) ins Visier nehmen und ihnen eine Perspektive bieten, sagt Siepmann.
In Aachen kümmern sich die Verantwortlichen bereits um Studenten, die aufgeben. IHK, Stadt und die Hochschule haben dort das Projekt Switch entwickelt: In 18 Monaten werden Studienabbrecher aus den mathematischen und naturwissenschaftlich-technischen Fächern zu IHK-geprüften Fachinformatikern für Anwendungsentwicklung, Fachinformatikern für Systemintegration oder Industriekaufleuten ausgebildet.
Normalerweise dauert die Ausbildung zum Industriekaufmann drei Jahre. Verlorene Zeit kann also aufgeholt werden — und auch die Betriebe profitieren.
Voraussetzung ist aber die individuelle Leistungsfähigkeit des Interessenten. „Jeder Fall muss einzeln betrachtet werden“, so Fritz Rötting, Wirtschaftsförderer bei der IHK Aachen.
Um Nachwuchsmangel geht es auch bei einem Wettbewerb, den zurzeit die Stuckateure durchführen: Sie suchen — wie berichtet — Teilnehmer für eine Nationalmannschaft, die sich mit Teams anderer Länder handwerklich messen. „Die Stuckateure werden in der Öffentlichkeit nicht richtig wahrgenommen“, sagt Initiator und „Nationaltrainer“ Frank Schweizer.
Ein Problem aus dem Handwerk, das bald viele Branchen treffen könnte. Udo Siepmann: „Der Wind auf dem Ausbildungsmarkt hat sich gedreht. Die Bewerber werden weniger und deshalb können Unternehmen ihre Ausbildungsplätze nicht mehr vollständig besetzen.“
Die Zahl der eingetragenen Ausbildungsverträge sei rückläufig, wobei der Rückgang bei den kaufmännischen Berufen weniger stark ausgefallen sei als bei den industriell-technischen. Während die Firmen im Kreis Mettmann 79 Verträge mehr als im Vorjahr hätten abschließen können, sei die Zahl in Düsseldorf um 175 Verträge zurückgegangen.
Die IHK setzt deshalb auf eine andere Ansprache — zielgruppenorientiert jugendlich. Beispielsweise per Social Media oder Webvideos. Angestrebt wird auch der direkte Kontakt zwischen Firmen und Jugendlichen: Schulabgänger mit schlechten Noten können hier trotzdem die Tür zu ihrem Wunschberuf aufstoßen — mit einem guten Auftreten.
“ Die Bildungsmesse Berufe Live Rheinland findet am 30. November und 1. Dezember von 9 bis 16 Uhr in der Düsseldorfer Messe, Halle 8a, statt.