Düsseldorf Flüchtlinge aus Afrika klagen auf Bleiberecht
Fall aus Somalia zeigt: Ihre Aussage ist oft die einzige Entscheidungsgrundlage für die Richter.
Düsseldorf. Die 29. Kammer des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes tagt immer montags. Und immer geht es um Flüchtlinge aus Somalia. „Jede Kammer hat sich auf ein Land spezialisiert. Das ist auch sinnvoll“, erklärt die Vorsitzende Yvonne Bach. Sie muss entscheiden, ob sie den Menschen glaubt, die hier eine neue Heimat finden möchten.
Um das beurteilen zu können, hat sich die Richterin intensiv mit dem afrikanischen Land beschäftigt. Mit der Geographie, den Lebensgewohnheiten und den Milizen, die in dem Land Angst und Schrecken verbreiten. Yvonne Bach: „In Somalia sind die normalen Strukturen zusammengebrochen. Es gibt dort keine öffentliche Ordnung mehr.“
Keiner der Flüchtlinge ist mit einem Reisepass in Deutschland angekommen. Entscheidungsgrundlage für die Richterin ist allein die Aussage des Klägers, der sein Bleiberecht durchsetzen will. Drei Verhandlungen hat Yvonne Bach an dem Montag angesetzt. Ein Fall ist Hussein A., der schon seit 2014 in Deutschland ist. Über den Sudan, Lybien und Italien erreichte er Europa mit dem Schiff. Erst zwei Jahre später wurde der Somalier zum ersten Mal angehört. Jetzt gehört er zu den Klägern, die „abgearbeitet“ werden, nachdem die Kammern beim Verwaltungsgericht aufgestockt wurden.
Mit seinem Anwalt und einer Dolmetscherin betritt der Afrikaner den Gerichtssaal. Ob er tatsächlich 1988 geboren ist, wie er behauptet, weiß niemand. Vielleicht nicht einmal Hussein A. selbst. Fast zwei Stunden Zeit nimmt sich die Richterin, um die Geschichte des Klägers zu hören. Ruhig und gefasst schildert Hussein A. seine dramatische Flucht aus Somalia. „Ich war Taxifahrer und sollte für einen Freund zwei Männer in die Vorstadt bringen“, berichtet der 29-Jährige. Was er nicht wusste: Die beiden Fahrgäste standen offenbar auf der Todesliste der Terror-Miliz Al Shabab. Die nahm das Taxi unter Beschuss. Hussein A. ließ den Wagen nach kurzer Verfolgungsjagd zurück und flüchtete zu Fuß.
Von dem Moment an schwebte auch der Taxifahrer in akuter Lebensgefahr. Mehrere Tage lang versteckte sich der Somalier hinter einem Baum. Nur wenige hundert Meter von der Stelle weg, wo sein Taxi beschossen wurde. Erst dann traute er sich zu einem Bauernhof, der in der Nähe war. Hier traf Hussein A. eine Frau, die ihm half. Sie gab ihm Essen, ein bisschen Geld und unterstützte ihn am nächsten Tag bei der Flucht. Verhüllt unter einer Burka versteckte sich der 29-Jährige auf einem Lkw, der ausschließlich Frauen transportiert. Es gelang ihm, die Grenze zum Sudan zu erreichen.
Yvonne Bach unterbricht die Aussage, wenn sie Nachfragen hat. Dass Männer in Frauenkleidern flüchten, ist sehr selten. Aber sie hält die Angaben von Hussein A. für glaubwürdig. Trotzdem entscheidet sie nicht sofort, ob die Klage Erfolg hat. Mit einer Abschiebung in das gefährliche Somalia muss ohnehin niemand rechnen. So wird die Zukunft für Hussein A. wohl in Deutschland liegen. Ob es eine glückliche wird, weiß niemand.