Flüchtlinge: „Den Menschen fehlt diese Extraportion Zuneigung“
Eine Perserin hilft Asylbewerbern bei der Erfüllung ihrer großen und kleinen Wünsche. Und davon gibt es viele — wie ein Besuch im Flüchtlingsheim zeigt.
Düsseldorf. Nayereh Nawyd kommt aus Persien. „Das hat hier einfach einen besseren Klang als Iran“, sagt sie. Sie ist ehrenamtliche Flüchtlingsberaterin und hilft Katharina Schwermann von der Flüchtlingsbetreuung der Diakonie in der Oberkasseler Unterkunft — vor allem als Übersetzerin vom und ins Arabische.
„Ich möchte etwas zurückgeben von dem, was ich hier in Deutschland bekommen habe“, sagt sie. Vor über 20 Jahren kam sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern.
Dann starb der Sohn mit 23 bei einem Autounfall, ein Schmerz, der nicht auszuhalten war. Sie suchte eine Aufgabe und fand sie in der Flüchtlingshilfe. Seitdem teilt Nayereh ihre Zeit mit Menschen, die Sorgen haben oder mehr. In die Unterkunft kommt sie jeden Montag, „telefonisch bin ich aber immer erreichbar“. Außerdem geht sie regelmäßig in ein Altenheim und macht alten Damen die Fingernägel.
Weihnachten
Zeit des Teilens
„Im Grunde sind die Menschen hier ja gut versorgt. Was ihnen manchmal fehlt, ist so eine Extraportion Zuneigung“, sagt sie. Vor allem aber löst sie praktische Probleme, vermittelt ein Vorstellungsgespräch, übersetzt ein Dokument, macht einen Termin beim Frauenarzt, oder ruft beim Anwalt an, dessen Mandant im Anerkennungsverfahren steckt.
Es geht um Menschen wie Achmed. Der ist 30, kommt aus Homs in Syrien, ist vor Jahren erst in die Türkei geflohen, bis er im Juni 2012 nach Deutschland kam. Achmed ist Schiffskapitän, hat große Dampfer über die Ozeane dirigiert. Jetzt wünscht er sich zweierlei: „Dass ich endlich anerkannt werde als Flüchtling, so wie ein Freund von mir. Und dass ich arbeiten kann, am liebsten natürlich auf einem Schiff.“ Düsseldorf gefällt ihm, „die Stadt ist sicher und schön“. Er spaziert ab und an zum Rhein und schaut den Lastkähnen hinterher, „ich glaube, hier wären die Chancen für mich nicht schlecht“. Doch bevor es soweit ist, möchte auch er so viel Zeit wie möglich abgeben. Und sucht deshalb ein Ehrenamt.
Nach ihm kommen Esmerund ihr Sohn Yunis (10) in die Sprechstunde. Ihre vierköpfige Familie ist aus Aserbaidschan geflohen und durfte inzwischen vom Heim in eine kleine Wohnung in Heerdt umziehen. Jetzt gibt es Unklarheiten bei der Möblierung. Außerdem hat Esmer üble Zahnschmerzen, eine Operation beim Kieferchirurgen muss organisiert werden. Als souveräner Übersetzter tritt Fünftklässler Yunis auf. Zu Weihnachten träumt er von einer Playstation, die Mutter würde sich über einen Tannenbaum und ein Fotoalbum freuen.
Eine Wohnung wünscht sich auch die jesidische Familie K., die aus dem Irak geflohen ist und zuletzt in der Ukraine lebte. Jamal ist wie seine Zwillingsschwester 17, er geht aufs Dürer-Kolleg, sehr erfolgreich ist er im Judo. „Mein größter Wunsch sind dauerhaftere Papiere, damit ich auch zu Wettkämpfen in Polen oder Österreich reisen kann.“ Sein Vater verdient sich etwas Geld als Hausmeister im Flüchtlingsheim dazu, „seitdem ist es hier viel sauberer“, sagt er stolz. In Düsseldorf werde man wohl keine Wohnung finden, „zu teuer“. 732 Euro darf die Kaltmiete plus Nebenkosten (ohne Heizung) laut Stadt betragen, „ich hoffe auf Ratingen“, sagt der Vater. Einen Wunsch hat er noch: „Dass sich ein guter Chirurg die Narbe bei meiner Frau ansieht, die seit ihrem Kaiserschnitt vor 17 Jahren Probleme macht.“
Grund zur Freude haben die Eheleute Lamid und Helay S. aus Afghanistan mit ihren vier Kindern (2 Monate, 6, 9, 12 Jahre). Am Montag bekamen sie die Anerkennung als Flüchtlinge gemäß der Genfer Konvention. „Wir sind hier ein Jahr lang ganz toll behandelt worden“, dankt Lamid, der gelernte Metzger. Er wünscht sich, dass die Deutschen alle Flüchtlinge so gut aufnehmen wie seine Familie. Auch seine Frau sagt, eigentlich sei sie wunschlos glücklich. Dann fällt ihr ein, dass sie eine dickere Winterjacke ganz gut gebrauchen könnte. Die beiden größeren Söhne spielen gerne Fußball, was fehlt, sind Fußballschuhe und -trikot. Hosay (6) hätte gerne ein rosa Kleid.
Und was wünscht sich die Helferin Nayereh Nawyd? „Dass Frieden möglich wird, dieser Hass aufhört, auch zwischen den Religionen, das ist doch Wahnsinn“, sagt sie. Sie leide darunter, wie der Islamismus ihren Glauben diskreditiere: „Gewalt hat mit dem Islam nichts zu tun.“
Eine Weile später fällt ihr dann aber auch etwas Profaneres ein, etwas, was sie in der Stadt gut gebrauchen könnte, um noch leichter ihre Zeit mit Hilfebedürftigen zu teilen: „Eine Monatskarte für die Straßenbahn.“