Düsseldorf Frauen an der Uni auf der Überholspur?
Zahlenmäßig haben Frauen inzwischen die Nase vorn. Doch bei Promotion, Habilitation und Professur sind sie immer noch teils weit in Unterzahl.
Düsseldorf. Noch nie haben so viele Frauen studiert wie heute. An der Heinrich-Heine-Universität gehören mit 59,4 Prozent inzwischen mehr Frauen als Männer zu den Akademikern von morgen. Am größten ist dieser Unterschied in den Studiengängen der Philosophischen Fakultät, wo der Anteil der Studentinnen bei über 67 Prozent liegt. Doch auch an der mathematisch-naturwissenschaftlichen, der juristischen und der medizinischen Fakultät ist diese Entwicklung zu sehen.
Eine Frau, die es an der HHU nach ganz oben geschafft hat, ist Universitätsrektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck. Die Rechtswissenschaftlerin, deren Spezialgebiete unter anderem Wirtschaftsrecht und Wettbewerbsrecht sind, bekleidet die Position der Rektorin seit 2014. Dass sich in den vergangen Jahren mehr und mehr Mädchen für ein Studium entschlossen haben, liegt für Steinbeck auch daran, dass sie oft bessere Leistungen erzielen: „Viele Mädchen machen ein besseres Abitur als Jungs, weil sie früher den Ernst des Lebens erkennen und daher tendenziell fleißiger sind.“
Die Zahl der Studentinnen mag zwar drastisch gestiegen sein, doch in führenden Positionen, wie etwa der einer Rektorin, findet man Frauen an der Uni noch immer eher selten. Dies könnte vor allem daran liegen, dass männliche Hochschulmanager und Wissenschaftler ihnen die Verantwortung schlichtweg nicht zutrauen.
Diese Erfahrung hat auch Anja Steinbeck gemacht, noch bevor sie Rektorin in Düsseldorf wurde: „Als ich zur Prorektorin an der Universität zu Köln berufen wurde, sagte der ein oder andere Kollege hinter vorgehaltener Hand: „Kann die das?“ Solche Zweifel scheinen in Richtung der Frauen immer noch leichter von den Lippen zu gehen als bei Männern.“
Prof. Anja Steinbeck, Uni-Rektorin
Diese Situation lässt sich auch unter den Professoren beobachten. Trotz des hohen Anteils an Studentinnen sind Professorinnen deutlich in der Unterzahl. Gerade mal ein Fünftel der Professoren an der HHU sind Frauen. An der Philosophischen Fakultät ist der Anteil mit knapp 35 Prozent am höchsten. In der Medizin sind es gerade mal knapp 15 Prozent.
Obwohl die Anzahl der Frauen, die ihr Studium mit einem Bachelor oder Master abschließen zum Teil sehr viel höher ist als die der Männer, liegen diese bei höheren akademischen Graden noch immer weit vorne. Im Jahr 2014 erreichte der Frauenanteil an den Masterabschlüssen in der Medizin 83,9 Prozent. Auch etwas mehr als die Hälfte aller Promotionen wurde von Frauen gemacht. Doch ihr Anteil an Habilitationen liegt nur bei 27,3 Prozent. Bei den Professuren sind es gerade mal 14,6 Prozent.
Tatsächlich ist es in den meisten Bereichen so: Je höher der akademische Grad, desto weniger Frauen finden sich unter den Absolventen. Charlotte Ballke studiert Sozialwissenschaften und ist seit Oktober letzten Jahres Vorsitzende des AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss). Für Ballke sind noch bestehende Barrieren und der Mangel an Vorbildern für Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen mögliche Gründe dafür, dass nur wenige Frauen nach der Promotion noch Habilitation oder gar eine Professur anstreben: „Es gibt zwar mehr Studienanfängerinnen als Studienanfänger, allerdings kommen nur die wenigsten an höheren Positionen an. Daher ist es kaum von der Hand zu weisen, dass Barrieren existieren, die Frauen davon abhalten, sich erfolgreich in den Wissenschaftsbetrieb einzubringen. Wenn mehr als acht von zehn Professoren männlich sind, kann dies bei Frauen den Eindruck erwecken, es sei nahezu unmöglich, selbst einmal eine solche Position zu erlangen.“ Nicht zuletzt hätten aber auch die Rollenbilder, die Kindern auch heute noch vermittelt werden, erheblichen Einfluss auf ihre Laufbahn. „Mädchen in unserer Gesellschaft wird immer noch viel zu häufig vermittelt wird, es sei sinnvoll, sich anzupassen, fleißig zu sein und nicht aufzufallen. So wie unser Schulsystem aufgebaut ist, kommt man mit diesen Eigenschaften sehr weit“, sagt Ballke. Dies gelte auch immer mehr für die Uni, „da sich der Universitätsbetrieb gefühlt immer weiter dem Schulsystem anpasst“.
Wenn es allerdings um begrenzte Promotionsplätze oder Habilitationen geht oder darum, sich gegen andere durchzusetzen und die Ellenbogen auszufahren, „dann müssen Frauen in unserer Gesellschaft immer wieder zurückstecken“. Diese Situation könne sich jedoch erst ändern, wenn sich die Rollenbilder in der Gesellschaft ändern, glaubt Ballke. Für die AStA-Chefin war schnell klar, dass sie sich in der Hochschulpolitik engagieren würde, weil sie sich über Zustände, mit denen sie unzufrieden ist, nicht nur aufregen wollte, sondern aktiv an Lösungsansätzen mitarbeiten will. Eines ihrer größten Vorbilder ist ihre Großmutter mütterlicherseits, die damals nicht studieren durfte, sich jedoch nicht nehmen ließ, „trotzdem viel zu lesen und sich so viel Wissen anzueignen, dass sie wirklich ein wandelndes Lexikon war“, sagt Ballke. Sie habe ihre Töchter deshalb dazu erzogen, sich unabhängig von ihrem Geschlecht durchzusetzen und den eigenen Weg zu gehen. Ihre Großmutter väterlicherseits wurde nach einem Studium der Theologie die erste Pastorin in Düsseldorf. Ein weiteres großes Vorbild war schließlich ihre Mutter, „die während des Studiums zwei Kinder bekam und sich, als sie deswegen nach dem Studium keinen Job bekam, selbstständig machte“.
Das Beispiel dieser drei Frauen hat Charlotte Ballke geprägt: „Dieser Einfluss hat meine Schwester und mich zu sehr selbstständigen, kritischen (in dem Sinne Dinge zu hinterfragen, statt sie einfach hinzunehmen) und emanzipierten Menschen gemacht.“