„Heimat ist ein Menschenrecht. Heimat lächelt“
Was es bedeutet, in Düsseldorf zu leben, beschreiben zwei Afghanen und zwei Deutsche.
Düsseldorf. Tag und Nacht prägen diese Fragen meine Gedanken und meine Gespräche: Woher kommen wir und warum kommen wir? Wohin gehen wir — und wann sehen wir endlich unsere Heimat wieder? Atahullah Hoseeni, der aus Afghanistan geflüchtet ist, sagt: „Heimatland ist mehr. Mehr als Heimat, mehr als Heimstatt. Heimatland ist eigen, konturlos, verschwimmend in Farben und Formen, ausufernd und ungreifbar wie ein Traum.“
(Ajmal Mayel)
Hoseeni ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist seit drei Jahren in Düsseldorf und lernt im Moment Deutsch. Ist Heimat ein Haus, ein Ort, ein Land? Muss das Zuhause in der Heimat liegen? Darf das Heimatland einem fremd sein? Auf jeden Fall gilt: Heimat braucht keine Definition. Heimat ist schwarz-weiß, und sie ist grau, aber sie ist nicht dieses Grau, das aus der Mischung von Schwarz und Weiß entsteht. Sie ist subjektiv und sie braucht keine Definition, weil sie kein Begriff ist: Sie ist ein Gefühl.
So wie Atahullah mussten auch viele andere Flüchtlinge in den vergangenen Jahren ihr Heimatland verlassen. Sie kommen aus Kriegs- und Krisengebieten oder wurden in pressefeindlichen Staaten wegen ihrer kritischen Berichterstattung verfolgt. Für alle kann man sagen: Heimatland ist Gefühl, das Gefühl ist subjektiv, es ist privat wie intim, individuell ist es auch. Es hat eine Farbe, einen Geruch, es hat Bilder, die keines Retro-Filters bedürfen. Streiten lässt sich darüber nicht — dazu ist es zu persönlich. Aber eines ist sicher: Heimat ist ein Menschenrecht.
Der Begriff Heimatland verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen. Der Begriff „Heimatland“ befindet sich in ständiger Diskussion und Veränderung.
Was Heimat für eine Deutsche bedeutet, sagt Ulrike Glaesle, Marketingleiterin des VDI-Verlages. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Düsseldorf: „Heimat ist dort, wo ich lebe und nicht weg will, und wo die Menschen sind, die ich liebe: meine Familie und Freunde. Es ist der Ort, das Land, wo die Gerüche, das Essen, die Sprache, die Kultur und die Geschichte mir vertraut sind: Deutschland. Diese Vertrautheit spendet mir innere Wärme, Sicherheit und schenkt mir Zufriedenheit, hier gehöre ich hin. Es ist eine Heimat, die mir sehr viel Freiheiten gibt: frei zu denken, frei zu sprechen und zu leben. Es ist ein sehr großzügiges Heimatland.
Je älter ich werde, desto wichtiger ist es mir, diese Freiheiten auch für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Denn was es bedeutet, unfrei zu sein, musste die Generation meiner Eltern schmerzhaft erfahren. Die Verortung meiner Heimat endet für mich nicht am Ortsschild von Düsseldorf. Ich kann mir gut vorstellen, auch in anderen Teilen von Deutschland zu leben, am liebsten im hohen Norden. Dort gibt es so viele interessante Gegenden und Landschaften. Die Unkompliziertheit und Offenheit der Rheinländer würde ich vermutlich vermissen. Und auch noch wichtig ist für mich: Meine Heimat ist ein grünes Land mit einem angenehmen Klima und viel Natur. Zur Heimatliebe gehört für mich auch die Bewahrung der Natur und der Schöpfung.“
Abdulqahar Qahar ist seit drei Jahren in Düsseldorf, er musste vor den Taliban aus Afghanistan fliehen. Er sagt: „Für mich bedeutet Heimatland Tradition. Heimat ist Goßeltern. Heimat ist Ahnen. Heimat wird vererbt. Heimat sind Geschichten. Heimat ist für viele Haus und Hof. Heimat ist Vertrautes. Heimat ist Beziehungen. Heimat ist Mentalität. Heimat bedeutet: Gesetze. Und ja, Heimat kann verortet werden und zwar auch physisch. Heimat ist eben auf gar keinen Fall nur Gefühl. Alles nicht Physische hängt mit einem oder mehreren Orten zusammen und umgekehrt. Heimat ohne physischen Ort gibt es nicht. Heimatland entsteht, wenn man die Fähigkeit hat, sich wohl zu fühlen dort, wo man ist. Heimat kann man sich machen — egal wo. Und Heimat ist ein Menschenrecht.“
Was ist Heimat für Dirk Sauerborn? Der Ansprechpartner für Interkulturelle Angelegenheiten im Polizeipräsidium wohnt mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter (natürlich) in Düsseldorf. „Heimat ist für mich, mich nicht rechtfertigen zu müssen, einfach da zu sein, Vertrautheit, das Gefühl, ich bin willkommen, so wie ich bin, ich muss mich nicht verstellen, keine Rolle spielen, ich darf einfach ich sein. Heimat ist ein Gefühl, kein Aggregatzustand. Ein warmes Gefühl. Heimat ist Grün, nicht Blau. Warm, nicht kalt. Heimat ist Umarmung, die Welt um mich umarmt mich, trägt mich, tröstet mich. Freut sich mit mir. Heimat lächelt.“