„Herr Geisel, sind Sie ein Machertyp?“ „Ja!“
Der OB-Kandidat der SPD über Putin, Marathon, seine Kinder und das Schicki-Micki-Image der Stadt.
Düsseldorf. Am Dienstag muss Thomas Geisel, der Spitzenkandidat der SPD, ganz flott sein. Und sich kurz fassen. Im Café Woyton am Rathaus hat er 20 Fragen in zehn Minuten zu beantworten — im Wahlkampf haben schließlich auch Journalisten kaum Zeit. Geisel durfte an dem Interview keine nachträglichen Änderungen vornehmen. Hier ist es einmal wirklich so: Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Geisel, hätten Sie eine Idee, wie man gut aus der Ukraine-Krise kommt?
Geisel: Man sollte auf jeden Fall sehr besonnen vorgehen. Ich bin nicht der Meinung, dass die Sache völkerrechtlich so liegt, wie man es gerne darstellt. Die Bundesregierung hatte ja auch nichts dagegen, als sich etwa Jugoslawien aufgelöst hat. Ich glaube, die russische Mehrheit auf der Krim war größer als die, die damals für die Abspaltung von Kroatien oder Slowenien war. Die Diplomatie muss jetzt im Vordergrund stehen.
Das klingt nach Putin-Versteher?
Geisel: Putin-Versteher, nein, das nicht. Aber man darf jetzt auf keinen Fall zündeln, Augenmaß, Mäßigung, Gespräche müssen im Mittelpunkt stehen.
Was halten Sie eigentlich von Gerhard Schröder?
Geisel: Er ist mir persönlich sympathisch, ich habe ihn mal kennengelernt. Mir gefällt, dass er auch mal zupackt, er ist ein Macher. Ob alles, was er gemacht hat, richtig war, darüber kann man trefflich streiten. Dass er nach seiner Regentschaft recht einseitig geschäftlich unterwegs war, also da hat mir die Tätigkeit von Helmut Schmidt nach seiner Kanzlerschaft besser gefallen.
Sind Sie ein Machertyp?
Geisel: Ja.
Was ist Ihre Schwäche?
Geisel: Manchmal schaue ich zu sehr aufs Ergebnis und zu wenig auf den Prozess. Wobei ich in 15 Jahren Verhandlungsgeschäft durchaus dazugelernt habe — manchmal ist der Weg genauso wichtig wie das Ziel.
Manche finden, Sie dozierten zu viel.
Geisel: Ja? Ich bin kein guter Richter in eigener Angelegenheit.
Warum plakatieren Sie sich eigentlich mit der ganzen Familie?
Geisel: Ich möchte authentisch sein, ich bin ein Familienmensch. Meine Familie ist mir in der Tat das Wichtigste. Und ich finde, dass sich Politiker so präsentieren sollten, wie sie sich sehen. Außerdem ist es doch ganz gut, wenn deutlich wird, dass sich ein Familienvater, der diese Rolle sogar ernst nimmt, politisch engagiert.
Sollten Sie OB werden, hätten Sie aber fast gar keine Zeit mehr für Ihre Kinder, oder?
Geisel: Der Tag hat 24 Stunden, das ist eine Frage der Prioritäten. Ich bin jemand, der nicht so wahnsinnig viel Schlaf braucht. Ich versichere Ihnen: Es wird Zeit für meine Frau bleiben und es wird Zeit für meine Kinder bleiben.
Was ist das Protestantische an Ihnen?
Geisel: Vielleicht wirklich eine ausgeprägte Arbeitsethik.
Bach oder Mozart?
Geisel. Ooh. Das waren beides Jahrhundertgenies, ich mag beide gern. Mozart vielleicht noch einen Tick mehr, vor allem die Jupiter-Sinfonie liebe ich.
Sind Sie eigentlich ganz freiwillig bei Eon ausgeschieden?
Geisel: Ja. Absolut. Und wirklich in gegenseitigem Respekt. Allerdings auch vor dem Hintergrund, dass ich persönlich die Entscheidung zur Zerschlagung der Ruhrgas für falsch hielt.
Wovon leben Sie im Moment?
Geisel: Ich hab’ bei Eon gut verdient. Außerdem habe ich noch ein kleines Mandat für eine Unternehmensberatung.
Was machen Sie, wenn Sie die Wahl verlieren?
Geisel: Dann bin und bleibe ich ein glücklicher Familienvater.
Gehen Sie dann in den Stadtrat?
Geisel: Ja sicher. Ich habe immer gesagt: Ich bin gekommen, um zu bleiben. Es sei denn, mein Ergebnis wäre ganz katastrophal, dann würde ich dafür die Verantwortung übernehmen. Ich gehe aber davon aus, Oberbürgermeister zu werden.
Was nervt Sie an Düsseldorf?
Geisel: Dass wir ein bisschen das Image der oberflächlichen Schicki-Micki-Kommerzstadt haben. Es ist ungerechtfertigt, aber umso bedauerlicher finde ich, dass manche Leute dieses Image auch noch fahrlässig oder gar vorsätzlich befördern.
Ihr Lieblingsort in der Stadt?
Geisel: Eigentlich mein Zuhause.
Ihre absolute Lieblingsstadt?
Geisel: Ich mag San Francisco und Paris sehr, auch Berlin. Ich wäre aber hier nicht so zuhause, wenn ich nicht Düsseldorf als eine der schönsten Städte der Welt empfinden würde.
Was ist so toll daran, einen Marathon zu laufen?
Geisel: Das Gefühl an der Ziellinie.
Können sie gerade einen Roman empfehlen?
Geisel: Ich komme kaum zum Lesen. Gut sind die Kurzgeschichten von Alice Munro.
Sicher stellen Sie sich schon manchmal vor, wie es ist als OB von Düsseldorf. Was macht Ihnen da Sorgen?
Geisel: Chef einer solch großen Stadtverwaltung in einer wachsenden Stadt zu sein, ist erst mal eine großartige Herausforderung. Ich sorge mich um die soziale Spaltung in der Stadt, die gilt es umzudrehen. Und ehrlich gesagt sorgen mich konkrete Fragen wie zum Beispiel: Wie löst man die Probleme am Schauspielhaus, wie schafft man es, dass dieses Haus wieder den Ruf bekommt, den es verdient?