Interview: „Studenten haben Städte immer beeinflusst“

Hochschullehrer Reinhold Knopp spricht darüber, warum das Unfertige Studenten anzieht.

Düsseldorf. 25 junge Leute laufen im Kulturverein "Damen und Herren" regelmäßig um eine Tischtennisplatte und spielen Ping Pong. Der Spaß wird von ziemlich lauter Musik untermalt und erinnert stark an einen Kindergeburtstag.

Es sind Studenten, die sich diese Ausgelassenheit leisten. Ihr Leben ist meilenweit entfernt von dem derjenigen jungen Leute, die vor 30, 40Jahren in die neu entstehenden Universitätsstädte strömten und die für jede Demo zu haben waren. Trotzdem haben Studenten das Leben in den Städten seit jeher beeinflusst - ob Müslifraktion oder miniberockte Romanistin.

Herr Knopp, wie viel studentisches Leben steckt denn in Düsseldorf?

Knopp: Eine ganze Menge, schließlich haben wir mit Musikhochschule, Fachhochschule, Heine-Uni und Kunstakademie rund 30000Studenten in unserer Stadt.

Und was bewirken die?

Knopp: Studenten haben in der Geschichte der Bundesrepublik immer einen gewissen Einfluss gehabt auf das Leben in Städten mit Universitäten. In den 70er Jahren haben sie etwa maßgeblich die Wiederbelebung der Städte bewirkt. Während Familien mit Kindern ins Grüne abwanderten, haben sie sich sanierungsbedürftige Altbauwohnungen gesucht, die günstig und WG-geeignet waren. Damals sind in Düsseldorf Kneipen entstanden, die Buchhandlung "Bibabuze", "Sack&Pack" und auch "Rad ab". Sie erfüllten die Bedürfnisse der jungen Leute.

Heute leben viele Studenten bei ihren Eltern. Wille und Möglichkeit, ihre Uni-Stadt mitzugestalten, sind bei ihnen anscheinend nicht sehr ausgeprägt.

Knopp: Das sehe ich anders. Der heutige Student ist durchaus ein spannender Teil der Stadtbewohnerschaft. Er ist ein Teilzeitarbeiter, hochgradig flexibler Arbeitnehmer, der zur Uni geht und jobbt. Er hat etwas Geld, das er auch ausgibt. Dies aber nicht in etablierten Kneipen, er sucht sich seine Nischen.

Gibt es die in Düsseldorf?

Knopp: Es ist zugegebenermaßen schwierig geworden, sie in einer so strukturierten Stadt noch zu finden. Aber in Oberbilk und Flingern ist das nicht ausgeschlossen. Das sieht man an dem Kulturverein "Damen und Herren". Ein Risiko droht jedoch immer und überall: Alles, was jetzt noch subversive Tunnelparty ist, kann in sechs Wochen schon von einem etablierten Veranstalter als Event plakatiert werden. Und schon ist das bislang Unfertige kommerzialisiert und längst nicht mehr so interessant.

Und was ist so spannend an solchen Provisorien?

Knopp: Sie sind kein Wert an sich, vermitteln aber andere, expressive Bilder des Lebens. Das hilft übrigens auch den Etablierten. Sie tauchen ja doch irgendwann in der neuen schrägen Kneipe auf, dem Waschsalon mit Disko früher an der Ackerstraße oder dem ehemaligen Ego Club im leerstehenden Postgebäude am Worringer Platz.

Wozu brauchen Etablierte wandelbare Szene-Treffs?

Knopp: Sie bekommen in den unperfekten, aber kreativen Räumen zumindest eine Ahnung davon, dass es etwas Interessanteres in ihrem Leben geben kann, als in Edelrestaurants zu speisen.

Aber was hat das bitteschön noch mit Nische zu tun?

Knopp: Dann nichts mehr, wenn ein Café als Geheimtipp gehandelt wird. In diesem Moment ist es längst keiner mehr.

Für das Umfeld der neuen Fachhochschule auf dem Schlössergelände wird ein reiches kulturelles Leben prophezeit. Zu Recht?

Knopp: Es wird auf jeden Fall ein großartiger Ort, ein Campus mit Vielfalt. Ich bin dafür, dort eine Dependance des Zakk zu eröffnen und Räume, wo Studenten allein aktiv werden können. Aber Nischen wird es in einem solchen durchgeplanten Umfeld wohl keine geben.