Kultur Das erste Kammerkonzert nach dem Corona-Lockdown
Düsseldorf · Isabelle Faust und Alexander Melnikov mit reinem Mozart-Programm in der Tonhalle.
Endlich! Einen inneren Seufzer der Erleichterung konnte man bei vielen Tonhallen-Besuchern spüren, als sie – noch mit Nasen- und Mundschutz – den Mendelssohn mit erleuchteter Sternen-Kuppel betraten. Erst auf dem Platz angekommen nahmen die meisten die Masken ab. Ganz langsam „robben wir uns an die Normalität wieder heran,“ so Intendant Michael Becker, als er zum ersten Kammerkonzert ‚Nach-Corona-Lock-Down‘ begrüßte. Zu einem reinen Mozart-Programm mit Isabelle Faust und Alexander Melnikov.
Die süddeutsche Stargeigerin und ihr Bühnen-Partner haben sich die Sonaten für Klavier und Violine vorgenommen – ein Format, das sich zu Mozarts Zeiten großer Beliebtheit erfreute und sich gut vermarkten ließ. Da sich Salzburgs Genie auf Letzteres vortrefflich verstand, gibt es zahlreiche dieser Hausmusik-Stücke für Hammerklavier und Violine. Faust und Melnikov gelten seit ihrer CD-Reihe international als Experten in diesem Format, das besonders für diese ersten Gehversuche in Sachen Tonhallen-Konzerte geeignet war. Leise, ohne grelles Scheinwerferlicht, aber mit ansteckender Musizierfreude entführen die beiden mit vier Sonaten in fast biedermeierliche Abgeschiedenheit.
Es bleibt weiterhin viel Abstand zwischen den Zuhörern
Dass alles längst nicht wieder so ist wie noch Anfang März, erkennt man schon draußen. Schlange stehen mit Sicherheitsabstand ist angesagt. Nachdem man in einem Raum neben dem Portal die Karten abholen musste. Einzeln und mit Maske. Nur auf Vorbestellung und mit hinterlegter Adresse sind Tickets zu erhalten. Spontaner Kartenkauf scheint derzeit noch nicht möglich zu sein. Dann werden am Eingang Tickets von Zweier-Gruppen oder Einzelpersonen digital per Laser-Gerät erfasst. So ist gesichert, dass jeder, der die Halle betritt, mit Namen etc. bekannt ist. Ein Procedere, das Musikfans an dem Abend gelassen über sich ergehen lassen. Kein hektisches Murren oder Knurren. Einfach warten, bis man dran ist. Und die Tonhalle betreten darf, um endlich wieder Klassik live erleben zu können. Zu dem pausenlosen Konzert nimmt man übrigens auch den Mantel mit.
Im Saal muss jede zweite Reihe frei bleiben, ebenso zwei Sitze zwischen den Besucher-Paaren oder Familien. In Parkett und Rang – überall sieht man vereinzelte Zuhörer. An allen Türen steht Wachpersonal, die auch während des 80-Minuten-Konzerts Masken tragen. Wann das wieder so sein wird wie früher? Eine Frage, die sich die freundlichen Platzanweiser ebenso stellen wie das Publikum.
Doch dann legen Isabelle Faust und Alexander Melnikow los: die Geigerin steht gut anderthalb Meter neben dem Pianisten, das ist immer so, nicht nur in Pandemie-Zeiten. Den ersten Sätzen der frühen D-Dur-Sonate (allegro con spirito) verpassen sie eine ordentliche Vitaminspritze. Souverän, voller sprühender Lebendigkeit, dabei aber artikulationsgenau – so vermitteln sie Mozarts gute Laune auf hohem musikalischem Niveau. Der Spaß steckt an, und schnell verflüchtigen sich Zweifel und Corona-Pessimismus. Man ist einfach froh, dabei sein zu können.
Da stört auch nicht, dass das Programm der beiden manchmal leicht eintönig wirkt. Harmonisches Zusammenspiel kommt in jedem Takt über die Rampe. Das Hammerklavier klingt dunkler, bronzierter und verfügt nicht die übliche Steinway-Brillanz. Doch seine fabelhafte Technik und Stilsicherheit erlauben Melnikov ein großes Spektrum an Farben, Schattierungen und Stimmungen, während Faust auf zauberhafte Gesangslinien setzt, die wie Girlanden über dem Hammerklavier emporranken. Die langsamen Passagen hüllen die beiden behutsam ein in Melancholie. Mit vitaler Kraft indes beleuchten sie im zweiten Teil Mozarts Experimentierfreude in seiner zweisätzigen G-Dur-Sonate und machen – trotz robusten Klangs – die barocken Kabinettstücke zu einem Genuss. Anhaltenden Applaus danken sie nicht nur mit einer Mozart-Zugabe, sondern Isabelle Faust, die zahlreiche Konzerte in der Corona-Zeit absagen musste, dankt mit einem erleichterten Strahlen „Schön, dass Sie wieder da sind!“