Konzert „Danke fürs Spielen . . .“
Krefeld · Nach der Corona-Pause spielten die Niederrheinischen Sinfoniker – mit Abstand und ohne Pause – vor 70 Zuhörern.
Das Corona-Virus hat unsere Welt verändert. Fast drei Monate Zwangspause mussten die Niederrheinischen Sinfoniker seinetwegen ertragen, ehe die ersten zaghaften Konzert-Versuche gestartet werden durften.
Zuerst gab es einen experimentellen Auftritt in einem Autokino, nun endlich durfte der Krefelder Theatersaal für ein erstes 70-minütiges Konzert seine Tore öffnen. In jeder zweiten Reihe saßen die etwa 70 Zuhörer in gebührendem Abstand und unter strenger Einhaltung von Eintrittsregeln. Dass der Applaus akustisch recht dünn ausfiel, tat der Spielfreude des mit knapp 20 Musikern besetzten Kammerorchesters keinen Abbruch. Im Gegenteil, man hatte den Eindruck, dass die Profis, aus ihrer Konzertroutine herausgerissen, befreit und engagiert musizierten. Es war eine Freude, ihnen zuzuhören.
Mihkel Kütson dirigiert
vom Cembalo aus
Die launige Moderation des GMD Mihkel Kütson tat ein Übriges, eine familiäre, fast intime Atmosphäre zu zaubern. Ohne Dirigentenpult leitete er vom Cembalo aus das gesamte Konzert, das von Barock bis Klassik kurzweilige Einzelsätze aus Orchestersuiten, Oratorien und Opern zum Klingen brachte. Telemann, Händel und Mozart standen auf dem Programm, mit dabei die Sängerinnen Sophie Witte, Sopran, und Eva Maria Günschmann, Mezzosopran.
Mit drei Sätzen aus Telemanns „Ouvertürensuite D-Dur“ begann das außergewöhnliche Konzert, vom aufmerksamem Orchester in Tongebung und Artikulation achtsam und im kammermusikalischen Habitus musiziert. Man saß in gebührendem Abstand auf der Bühne, Hörner und Trompeten waren mit einer Plastikwand vom Rest des Orchesters abgetrennt. Dank der direkten Akustik des Theatersaals entstand trotz der Widrigkeiten ein kompakter homogener Gesamtklang, der mit strahlenden Trompeten in höfischem Glanz erstrahlte und in „Fanfare“ Brillanz mit Spielfreude verknüpfte.
Wunderbar gelangen dem Orchester im zweiten Telemann-Stück, der „Burlesque de Quixotte“, die Klangbilder: „Stolzer Ritter Don Quixotte“, „Liebesseufzer“, „Das stolzierende Pferd Rosinante“, „Der holprige Esel“ und „Der furiose Kampf gegen die Windmühlen“. Es war feinsinniger Humor, wie man ihn aus der Barockzeit nur selten kennt.
Ganz anders, nämlich emotional, ruhig atmend und einfühlsam, interpretierte Eva Maria Günschmann Händels Arie „Ombra mai fu“ aus der Oper „Xerxes“, ein Gesang, der ursprünglich für einen Countertenor gedacht war.
Das emotionale Gegenstück dazu lieferte Sophie Witte mit der aufmunternden Arie „Rejoice greatly“ aus Händels „Messias“. Saubere Koloraturen standen im lebendigen Dialog mit den Streichern, dann wiederum zog Eva Maria Günschmann mit Händels Arie „Piangero la sorte mia“ aus der Oper „Giulio Cesare in Egitto“ eher traurige, aber tröstliche Belcanto-Register. Man hatte das Gefühl, Publikum und Musiker waren dankbar, hier endlich wieder Musik erleben und dort auf der Bühne spielen zu dürfen.
Das Finale war ganz dem jungen Mozart gewidmet. Als 19-Jähriger komponierte er im Auftrag einer wohlhabenden Gräfin in Salzburg das „Divertimento F-Dur“ KV 247. Kütson gelang es, mit musikantischem Gestus lebensfrohes Musizieren und ein heiteres Finale zu präsentieren und den strengen Pandemie-Regeln ein fröhliches Lebensgefühl entgegenzustellen, ergänzt durch die Arie „Gema la tortorella“ aus „La finta giardiniera“ mit Sophie Witte, die mit makellosem Gesang und unterstützt durch ein feines Pizzicato-Metrum der Streicher eine schöne, friedvolle Atmosphäre schuf.
Die wenigen Zuhörer im weiten Rund waren akustisch und physisch gefordert, ihrer Begeisterung durch lang anhaltenden Applaus Ausdruck zu verleihen. Als der Applaus beendet war, rief ein Orchestermusiker in den Saal „Vielen Dank fürs Kommen“, eine Zuhörerin antwortete „Danke fürs Spielen“. Corona hat einiges verändert.