Kunst 15 Räume mit 15 Geschichten im KWM

Krefeld · Die Kunstmuseen Krefeld zeigen ihre Sammlung mit einem für das Haus neuen Konzept. Von Nauens „Drove-Zyklus“ über Richter, Picasso oder Yves Klein bis Biedermeier.

„Monumentale Farbe“ mit dem „Drove-Zyklus“ des niederrheinischen Expressionisten Heinrich Nauen im Kaiser-Wilhelm-Museum.

Foto: Andreas Bischof

In der so vielfältigen und bisweilen mit internationaler Strahlkraft beschenkten Sammlung der Kunstmuseen Krefeld findet eigentlich jeder sein Lieblingskunstwerk, sein Lieblingsthema. Doch die Räume des Kaiser-Wilhelm-Museums sind nun mal so groß wie sie sind, und es kann immer nur ein Teil des in den Magazinen des Hauses schlummernden Schatzes (mit über 20 000 Werken) gezeigt werden. Ab jetzt werden aber bedeutende Teile der Sammlung auf eine mehr als überzeugende und vor allem abwechslungsreiche Art dem Publikum zugänglich gemacht. Ein Novum am Haus.

In einer neuen Sammlungspräsentation, die 15 „Geschichten“ also 15 Themenschwerpunkte unterschiedlicher Art in 15 Räumen in mal assoziativen, mal eher technischen oder auch historischen Zusammenhängen, zeigt. Und man ist überrascht, wie viele wechselnde Atmosphären auf der ersten Etage des Museums Platz finden. Dabei entstehen die jeweiligen ästhetischen „Stimmungen“ weniger durch die äußerliche Umgestaltung der Räume, jene sind im üblichen Weiß gehalten, sondern viel mehr durch die dichte und kraftvolle Fokussierung. Durch die ästhetische Präsenz und Sprache der Kunst und die prominent platzierten Begleittexte an der Wand.

Damit wird die seinerzeit modische Idee der Stilräume, die sich in aller Opulenz und Eklektik versuchten jeweils einem spezifischen Zeitstil zu widmen, aus Zeiten des ersten Direktors des Kaiser-Wilhelm-Museums, Friedrich Deneken, in postmoderner Weise ins Aktuelle übersetzt. Kurz: Alte Rezepte können, wenn man sie mit heutigen Mitteln und mit Blick auf heutige Rezeptionsgewohnheiten umsetzt, wunderbar funktionieren. Wie etwa in dem Raum „Der immerwährende Sonntag“, der sich auf zauberhafte Weise dem Biedermeier widmet.

Durchweg hat Sylvia Martin, die die neue Präsentation gemeinsam mit Magdalena Holzhey und Thomas Jansen kuratiert hat, ein mehr als glückliches Händchen bewiesen. Nicht nur, dass so schlafende Schönheiten, die sehr lange nicht mehr zu sehen waren, nun wieder an das Tageslicht kommen konnten oder auch mal Exponate ausgestellt werden, die sonst vielleicht weniger im Fokus von Ausstellungsmachern sind – auch bekannte Größen der Sammlung erscheinen in einem neuen Kontext und somit auch Licht und spezielle Themenfelder können auch würdig beleuchtet werden, wie die Provenienzforschung.

Heinrich Nauens „Drove-Zyklus“ ist nun in Gänze zu sehen

Besondere Höhepunkte dieser neuen Präsentation sind unter anderem auch der durchaus ansehnlich monumentale Raum mit dem sogenannten „Drove-Zyklus“ aus 1912/13 von Heinrich Nauen. Übrigens sämtliche großformatige Bilder dieser Werkgruppe, die für ein Zimmer auf Burg Drove geschaffen wurden und in ihrer Gestalt und Motivik ein wenig wie ein subjektiver Streifzug durch Stationen der Kunstgeschichte anmuten, sind nach langer Zeit wieder zusammen zu sehen. Aber auch ein Raum, der sich Alltagsmaterialien in der Kunst widmet oder ein Yves Klein- oder Picasso-Raum sind Akzente, die sich in das Gesamterlebnis des Rundgangs als markante Ecksteine mit Themen wie Rodins Skulpturen in der Fotografie, skurrile Schaukästen – eine wahre Entdeckung – oder auch Kunsthandwerk und Design im Wechsel einfügen. Beim Stöbern findet man übrigens auch Namen wie Kandinsky, Richter, Tinguely, Warhol oder auch Spitzweg und Moritz von Schwind.

Themen der Räume sollen in
loser Folge wechseln

Die Idee hinter „Sammlung in Bewegung“ – so der Name des neuen Präsentationskonzepts – ist aber nicht statisch. Denn die „Bewegung“ kann hier nicht nur dafür stehen, dass einzelne Exponate sich aus ihrem üblichen Kontext herausschälend in neue Bezugssysteme gesetzt werden können, was übrigens teilweise zu richtig spannenden Entdeckungen führt, sondern es deutet auch an, dass einzelne Räume in losen Abständen immer wieder neu bestückt werden. Mit wechselnden vielleicht auch gerade aktuellen Themen; auch mit Blick auf die Kunstvermittlung vielleicht mal passend zu einem Abi-Thema, wie der Raum „Abdruck und Verwandlung“ der Frottagen Max Ernsts mit Arbeiten von ZERO in Kontext setzt.

Im Detail indes ist geplant, die einzelnen Räume in Zukunft auch noch zusätzlich in Form einer Serie hier vorzustellen. Sie tragen die Namen „Wiese, Wald, See und Berg“, „Royal Copenhagen“, „Provenienzforschung. Die Lebensgeschichten der Bilder“, „Pop, Provokation, Medienreflexion“, „Phänomen Picasso“, „Monumentale Farbe“, „Moderne Natur“, „Materialszenen“ (der eigentliche Startpunkt), „ ‚Look’ Minimal“, „Kunstkammern der Moderne“, „Im und mit Licht“, „Farben reiner Empfindung“, „Der immerwährende Sonntag“, „Bitte Abstand halten“ und „Abdruck und Verwandlung“. Sich ein eigenes Bild machen – und es lohnt –, kann man schon ab Freitag, 5. Juni; natürlich mit Corona-Schutzmaßnahmen.