Ausstellung würdigt Kunstwerkebestand „Mehr : Wert“ führt zwei Sammlungen im Von der Heydt-Museum zusammen

Wuppertal · Ausstellung würdigt Kunstwerkebestand.

Roland Mönig (l) und Gerhard Finckh in der Ausstellung „Mehr : Wert“. Das Bild „NOT-17-2006“ von Frank Nitsche hängt im Raum 8, der „Nähe und Ferne“ thematisiert.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Der Blick ist streitlustig, verdoppelt sich in der Nähe, der angespannte Körper steckt im giftgrünen Bikini, der einen kindlichen Kontrapunkt zu ihm setzt. Heike Kati Baraths drei Meter hohes Bild eines heranwachsenden Mädchens empfängt den Besucher im ersten Raum der Ausstellung. Diese bringt bewusst Kunstwerke zusammen, die zwei verschiedenen Sammlungen angehören. Sie treten in einen Dialog, der in mehrfacher Hinsicht mehr Wert erzeugen soll. „Mehr : Wert“ lädt ab heute in den ersten Stock des Von der Heydt-Museums.

Seit gut 50 Jahren sammelt die Stadtsparkasse Wuppertal Kunst, „um die Lebensverhältnisse der Menschen in der Stadt zu verbessern“, erklärt Gunther Wölfges. Fast 3000 Werke von fast 700 Kunstschaffenden aus der Region kamen so zusammen – die meisten davon hängen in den Räumen des Geldinstituts. Vor zwei Jahren kam der Vorstandsvorsitzende auf die Idee, anlässlich des Jubiläums die Sammlung mit der des Von der Heydt-Museums in einer Ausstellung zusammenzubringen.

Mit welchem Ziel haben die Häuser Kunst erworben?

Der „faszinierende Vorschlag“ zog für den damaligen Direktor des Hauses, Gerhard Finckh, umfangreiche Sichtungsarbeiten und die Klärung der Sammlungsintentionen beider Häuser (Wie hat das Museum in den letzten 50 Jahren gesammelt? Welchen Kern hat die Sparkassen-Sammlung?) nach sich. Danach war klar, dass er in der Schau die Arbeiten zu bestimmten Themen in einen Dialog treten lassen wollte. Die Besucher sollen über die Kunst, die das Thema materiell greifbar macht, zur Auseinandersetzung mit dem Thema selbst gebracht werden. Zugleich sollen Zusammenhänge oder Gegensätze zwischen den Arbeiten entstehen, die diese wiederum anders wirken lassen.

155 Kunstwerke – 44 Gemälde, 27 Fotografien und sechs Skulpturen – wurden ausgewählt, beide Sammlungen sind jeweils zur Hälfte beteiligt. „Die größeren Arbeiten stammen meist aus dem Besitz des Museums“, weiß Roland Mönig, der seit April das Haus am Turmhof leitet. Die Ausstellung erhielt der „Neue“ als „Geschenk“, das er zusammen mit Finckh in den acht Räumen des ersten Stockwerks hängte. Nur eines, Christian von Grumbkows fünf Meter hohes Bild „Red Pain“, überfordert die Wände. Der flammend-
rote Vorbote der Ausstellung schmückt nun den Treppenaufgang.

Vorbote auch dafür, dass das durch die Coronakrise unterbrochene Leben in das Museum zurückkehrt. Nach Hannsjörg Voths „Zu Lande und zu Wasser“-Werkschau, die am 19. Mai endlich im Mezzanin öffnete, erwacht am heutigen Dienstag das erste Stockwerk, werden am 16. Juni dann auch die Stars der Museumssammlung im Obergeschoss in der Ausstellung „An die Schönheit“ gewürdigt. „Das Museum wird schrittweise aus dem Dornröschenschlaf geholt“, freut sich Mönig und verspricht, dass die Ausstellungen auch weiterhin digital zu den Menschen gebracht werden sollen – indem die Aktivitäten in den sozialen Medien fortgesetzt und virtuelle Rundgänge angeboten werden.

In Museen wie Sparkassen treffen Menschen aufeinander, öffnen sich, oder bleiben verschlossen. Wie unterschiedlich sich Menschen begegnen, sich zeigen, darum geht es bei „Menschen und Masken“ (Raum 1), wo zum Beispiel Peter Kowalds „Global Village“ (Titelbild auch des Ausstellungskatalogs) neben Jean Dubuffets „Landschaftsgemisch“ und Luceberts „Die vielen Alten“ hängt. „Rot sehen“ heißt es im zweiten Raum, der die allgemeine Wahrnehmung anhand einer Farbe beispielhaft vorführt. Eine Farbe, die selbst Gegensätze wie Gefahr und Liebe in sich trägt. Viele Künstler beschäftigten sich mit der Wirkung dieser Farbe – Ulrich Erben genauso wie Joseph Marioni oder Lucio Fontana.

Hängung erlaubt Dialog, der die Arbeiten selbst verändert

Andreas Komotzkis Fotoarbeit „Slow Day“ und Gerhard Richters „Scheich mit Frau“ eint die verwischte Darstellung einer Aufnahme, „die zum genaueren Hinschauen führt“, so Finckh. Und damit zur intensiven Auseinandersetzung, zu der Raum 3, “Unschärferelationen“, einlädt.

Der Frage, wie der Mensch einen Raum erlebt, gehen nicht nur Architekten nach. Im vierten Raum „Architektur“ werden etwa Antworten von Erwin Heerich, der Gebäude für die Museumsinsel Hombroich entwarf, Oskar Schlemmers „Zwölfergruppe mit Interieur“ oder Corinna Wasmuht “Calafate“ gegenübergestellt.

Geometrische Formen zeigt auch „Maß, Zahl, Geometrie“ (Raum 7), wo James Rogers Punktewand ebenso zu sehen ist wie Laszló Moholy-Nagys „QXX“.

Um die Beschäftigung mit Naturgewalten und um ihre (Un-)Beherrschbarkeit geht es bei „Die vier Elemente“ (Raum 5), wo beispielsweise Günter Wieselers verspieltes Atemobjekt „New Species“ und Elgar Essers „Le Bac de Deauvilles et la Bateau“, das dieser aus einer historischen Postkarte schuf, in einen, interessante Assoziationen weckenden, Dialog treten.

Bei „Frei schwingende Formen“ (Raum 6) geht es um Kunst zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, um Neo Rauch genauso wie Jürgen Grölle. „Nähe und Ferne“ (Raum 8) behandelt ein nicht nur in Coronakrisen-Zeiten unter die Haut gehendes Sujet, das von sehnsuchtsvoll bis ironisierend umgesetzt wurde. Und Bogomir Ecker mit Corinne Wasmuth oder Tal R. zusammenführt.

Alles in allem ist die Ausstellung eben ein Mehrwert für beide Sammlungen genauso wie für den Besucher.