Kampf um Schulbusse: So kompliziert ist Politik
Die Entscheidung im Streit um die Spezialbusse und ihre Finanzierung naht.
Düsseldorf. Auch Elterninitiativen wissen ihre Interessen heutzutage ins rechte Licht zu rücken. Also bat die Elternpflegschaft der Wittlaerer Franz-Vaahsen-Grundschule gestern um 7.33 Uhr zum Ortstermin an die Bushaltestelle Heinrich-Holtschneider-Weg.
Knapp 100 Grundschüler drängelten sich dort auf dem engen Bürgersteig und signalisierten damit den Pressefotografen eindrucksvoll: Wenn wir hier alle auf den regulären Linienbus 760 warten müssen, wird’s gefährlich.
Der Streit hinter dem Foto dreht sich seit Monaten um drei Schulbusse an der nördlichen und östlichen Peripherie, die die Stadt seit vielen Jahren kostenlos fahren lässt und die jetzt abgeschafft werden sollen.
Ersparnis: 300 000 Euro. Doch dahinter verbirgt sich auch ein Musterbeispiel für Interessenskonflikte in der Politik. Mit delikaten Zutaten: Kinder-Sicherheit, Bürgerprotest, Partikular- und Allgemeinwohl, Parteien — und Wählern.
An drei Grundschulen in Knittkuhl (Hubbelrath), Kaiserswerth und Wittlaer gibt es Sonderbusse, die einen Gutteil der Kinder morgens aufsammeln, zur Schule bringen und mittags wieder nach Hause.
Das Land verlangt, solche Spezialverkehre regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Das hat die Stadt nun getan, mit der Polizei wurden alle Schulwege und Haltestellen untersucht, Ergebnis: Es gibt keine besonderen Gefahren, die Sonderbusse nach Kaiserswerth und Wittlaer sind nicht erforderlich, nur zur Grundschule in Knittkuhl muss der Bus von und nach Hubbelrath bleiben, weil die Rheinbahn dafür kurzfristig keine Ersatzlösung ohne Umsteigen anbieten kann.
Gegen dieses Votum liefen nun die betroffenen Eltern und parteiübergreifend alle Stadtteilpolitiker Sturm. Es handele sich sehr wohl um gefährliche Schulwege, in Hubbelrath etwa müssten Kinder ohne Spezialbus die Raser-Bundesstraße 7 überqueren.
Im Norden heißt es außerdem, die Stadt habe sich 1975 im Eingemeindungsvertrag mit Kalkum zu den Sonderbussen verpflichtet, weil es nur in Wittlaer eine Grundschule gibt. Im Schuldezernat hat man diesen Vertrag jetzt nochmals studiert — und kein Wort von einem solchen Passus gefunden.
Auch innerhalb der Ratsfraktionen ist die Sache umstritten. Die Politiker aus Hubbelrath, Kalkum, Wittlaer und Kaiserswerth möchten das Schulbus-Privileg ihrer Wähler natürlich nicht aufgeben.
Doch die Kollegen aus allen anderen Stadtteilen sagen: Bei uns gibt’s auch gefährliche Schulwege, zum Beispiel führen sie über die „Stadtautobahn“ Münchener Straße, doch für unsere Kinder fährt nur der reguläre Linienbus. Und dann kontert wieder Gruppe 1: Warum sollen wir den sicheren Schultransport aufgeben, nur weil es ihn woanders nicht gibt?
Mehrfach wurde das Dilemma vertagt, am 21. Juni aber wird der Schulausschuss entscheiden, wie es im neuen Schuljahr weitergeht. Dass alles beim alten bleibt, darauf beharren inzwischen auch die Elterninitiativen nicht mehr. Es gibt Kompromiss-Angebote, etwa, dass Eltern einen Teil der Bus-Kosten in Höhe des Schokoticketpreises übernehmen, den alle anderen Kinder auch zahlen müssen.
Wenn die Rheinbahn den Busdienst übernimmt. Der Auftrag dafür muss europaweit ausgeschrieben werden. Umgekehrt ist undenkbar, dass die CDU/FDP-Mehrheit im Rat die Busse ersatzlos abschafft und damit vor allem ihrer Wählerklientel hart vor den Kopf stößt.
Übrigens: Die Stadt hatte den Wittlaerer Eltern gestern einen „echten“ Stresstest der engen Haltestelle angeboten, wozu freilich ein zusätzlicher Ersatzbus gehören sollte, der hinter dem regulären Bus hergefahren wäre. Gerne, antworteten die Elternvertreter, aber nicht jetzt, das könne man später mal testen. Warum sollten sie auch freiwillig auf die bedrohlich wirkenden Bilder des dichten Kinderpulks verzichten?