Düsseldorf Kaum noch Flüchtlinge — doch Düsseldorf kriegt immer mehr

Stadt und Land ringen um korrekte Zahlen und Quoten, noch kommen bis zu 150 Asylsuchende pro Woche hierhin.

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Düsseldorf. Merkwürdig: Es kommen kaum noch Flüchtlinge nach Deutschland, vermutlich wegen der geschlossenen Balkan-Route. Das Drehkreuz am Flughafen-Fernbahnhof zum Beispiel steht seit Wochen völlig still, überall im Lande werden Flüchtlingsunterkünfte aufgelöst — doch die Stadt Düsseldorf bekommt weiter jede Woche bis zu 150 Asylsuchende zugewiesen. Und weiß nicht, wo und wie sie die vernünftig unterbringen soll.

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Hinter dem Widerspruch steckt der seit einem halben Jahr schwelende Streit zwischen der Stadt und dem Land Nordrhein-Westfalen um Berechnungsgrundlage und Verteilungsschlüssel. Ende 2015 stellte die zuständige Bezirksregierung Arnsberg fest, dass mehrere Großstädte, darunter Köln, Essen, Dortmund und Düsseldorf ihre Quote nicht erfüllt hätten, Düsseldorf habe fast 3500 Flüchtlinge zu wenig aufgenommen. Für die Stadt hat Sozialdezernent Burkhard Hintzsche dies stets als „nicht nachvollziehbar, ja falsch“ zurückgewiesen, denn, so Hintzsche am Mittwoch zur WZ: „Das Land hat die Zahl der Flüchtlinge insgesamt viel zu hoch angesetzt, indem es alle in Landeseinrichtungen geschaffenen Plätze hinzugerechnet hat — egal, ob die belegt sind oder nicht.“ In der Tat sind derzeit nicht mal ein Drittel der Landesplätze belegt, bestätigt die Bezirksregierung Arnsberg.

Vor einigen Wochen nun einigten sich Stadt und Bezirksregierung Düsseldorf hinter verschlossenen Türen auf einen Kompromiss. Darin erkannte die Stadt an, 950 Flüchtlinge gleichsam nachholend aufzunehmen, Regierungspräsidentin Anne Lütkes unterschrieb die Vereinbarung. Damit hätte die Stadt ihre Schuldigkeit auch rückwirkend getan. Doch jetzt stellt sich offenbar das NRW-Innenministerium quer und will den Kompromiss nicht akzeptieren. Stefanie Klockhaus, Sprecherin der Bezirksregierung, bestätigt, dass es eine endgültige Einigung nach wie vor nicht gebe: „Es gibt weiter unterschiedliche Auffassungen über die korrekte Zahl, auch weil dahinter ein hochkomplexer und dynamischer Prozess steckt“, sagt sie. Damit meint sie, dass sich Zahlen täglich ändern, etwa weil Asylsuchende anerkannt werden oder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einzurechnen seien.

Die Stadt verliert nun allmählich die Geduld, sie will eine gewisse Planungssicherheit. Hintzsche betont, dass man immer alle zugewiesenen Flüchtlinge aufgenommen und möglichst gut untergebracht habe, „und das bleibt auch so“.

Dass das Land aktuell seine eigenen Plätze nicht belegt, zeigt sich schon daran, dass es Unterkünfte im großen Stil abgeben möchte. Das betrifft das frühere Finanzamt an der Roßstraße mit potenziell 500 Plätzen, die die Stadt übernimmt, genauso wie den Behrensbau am Mannesmannufer mit ebenfalls 500 Plätzen. Als nächstes Übernahmeprojekt kommt wohl die Bergische Kaserne mit weiteren 1000 Plätzen hinzu, an der das Land nach jahrelangem untätigen Hickhack das Interesse verloren hat. Dass die Stadt all diese Kapazitäten ungeachtet des derzeitigen Mangels an Flüchtlingen braucht, steht für Hintzsche fest: „Das kann jetzt in der warmen Jahreszeit ganz schnell gehen, zumal sich an den Fluchtu´rsachen ja nichts geändert hat.“