Keine Angst vor zu viel Romantik
Geiger Nikolai Mintchev und Pianistin Sofja Gülbadamova spielten im Palais Wittgenstein.
In die schwere sommerlich-warme Luft im Palais Wittgenstein mischen sich nicht minder gewichtige Klänge. Musik, aufgeladen mit bedeutungsvollen Emotionen, mit großer romantischer Geste, durchzogen von heißer Sehnsucht nach dem Unaussprechlichen erfüllt den Raum. Romantische und spätromantische Kammermusik, so beglückend himmelstürmend und leidenschaftlich tiefgründig sie auch sein kann, birgt die Gefahr, wenn sie übermäßig kulminiert präsentiert wird, den Hörer nach einer gewissen Zeit zu ermüden.
Der Geiger Nikolai Mintchev — nicht zuletzt Konzertmeister des Sinfonieorchesters Wuppertal — und seine Partnerin am Klavier Sofja Gülbadamova, ließen es aber darauf ankommen. Sie gestalteten ihr Kammerkonzert auf Einladung der Robert-Schumann-Gesellschaft Düsseldorf durch und durch in romantischer oder romantisch inspirierter Tonsprache. Und beider Liebe zu dieser Kammermusikliteratur spürte man in jedem Augenblick, so auch in Gülbadamovas Moderationen. So kultivieren sie, auf jeweils eigene Weise gefärbten, für diese Musik idealen Klang. Wobei es verfehlt wäre zu glauben, dass nur weil man Musik in die so weitgefasste Schublade der Romantik steckt, der Zugang zu einer Brahms-Sonate der gleiche sein müsse, wie etwa zu der Klangwelt eines Schumann. Die sich ähnelnd doch einen ganz anderen Geist atmen. Mintchevs — durch die Orchesterarbeit geschulte unverwüstlich sicher anmutende — Technik liebt den großen aber volltönig reinen Ton. Ausladende Phrasen, die sich gerne auch in seinen Bewegungen spiegeln, genießt der gebürtige Bulgare sichtlich. Nie, oder fast nie erlaubt er seinem Instrument verletzliche Seiten oder gar gläserne Feinheit.
Vor allem in Schumanns so glühend beseelter Sonate für Violine und Klavier in a-moll op. 105 — die übrigens in Düsseldorf entstanden ist — ließ Mintchev zugunsten dichten Klanges Nuancierungen etwas bei Seite. Vielmehr strebt er in jedem Moment nach sattem romantischen Geigenton. Wieso auch nicht? Ähnliche Paradigmen leiten auch die in Moskau geborene Pianistin. Auch ihr Spiel folgt den Gesetzen volltöniger Expressivität. Wobei sie bei ihrem Anschlag viel Wert auf glänzende Resonanz legt. Ihre beredte Virtuosität konnte sie solistisch mit Ernst von Dohnányis, der ihr besonders am Herzen liegt, „Suite im alten Stil op. 24“ genauso unter Beweis stellen, wie mit den doch etwas epigonal anmutenden Improvisationen op. 44 von Felix Woyrsch (1860-1944). Auf ersteren lag mit seiner „Violin Sonata“ op. 21 ein besonderer Fokus. Dohnányi singt in seinem in den 10er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandenem Werk einen leidenschaftlichen Abgesang auf eine Zeit, als man noch unbekümmert musikalisch schwelgen durfte. Das machten die beiden Musiker gerne und interpretierten zum Abschluss auch Brahms A-Dur- Violinsonate mit gleichem Grundton. Auf begeisterten Applaus folgten zwei Zugaben.