„Kesselhelden“ mischen Heizungsbauer-Szene auf

Handwerk ganz digital: Foto von der alten Heizung mailen, dann kommt erst ein Angebot und dann der Monteur. Das Start up in Flingern hat binnen zwei Jahren 150 Mitarbeiter eingestellt und expandiert rasant. Bei der Innung ist man nicht nur begeistert.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Wenn man die Kesselhelden in ihren Hinterhof-Büros an der Erkrather Straße 206E besucht, wundert man sich erst einmal: eine ganze Armada junger, hipper Menschen sitzt da in offenen Büros an PCs und Tablets, viele haben Kaffeetassen mit Kesselheld-Logo vor sich. Es gibt einen Billardtisch und einen Kicker, in einer offenen Küche kann man sich Snacks zubereiten, wer aufs Klo will, geht natürlich auf den „Kesselpott“. Eine Wand ziert ein Stück freiliegender Backstein, auf einer anderen stehen mit bunter Kreide angeschriebene Namen und Zahlen — die von Mitarbeitern, ihren neu gewonnenen Kunden und die Umsatzhöhe. Ja, man fühlt sich hier absolut wie bei einem „Start-up“. Aber bei einer Werbeagentur, einem Softwareentwickler oder irgendetwas mit IT oder Kreativwirtschaft. Und nicht bei einer Heizungsfirma. Doch genau das ist Kesselheld: ein Heizungsbauer.

Aber eben einer, der anders ist, der die Möglichkeiten der Digitalisierung ausreizt: „Wir sind praktisch den umgekehrten Weg gegangen, vom Digitalen zum Realen“, sagt Martin Teichmann, einer der beiden Gründer und Geschäftsführer von Kesselheld. Zu zweit begann man 2015 als Online-Heizungsverkäufer in einem Büro an der Speditionstraße, dann expandierte der Newcomer rasant, stellte Heizungsmonteure und Meister ein, 2016 führte man 40 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste, jetzt sind es 150 — davon etwa 80 Handwerker.

Die sitzen nicht nur in Düsseldorf und Umgebung, sondern auch in den Großräumen München oder Berlin. Eben da, wo Menschen online bei Kesselheld eine neue Heizung bestellt haben, die dann von Herstellern wie Viessmann, Buderus oder Vaillant „just in time“ zum jeweiligen Haus geliefert und von den Monteuren eingebaut wird. Die Kunden, laut Teichmann aus allen Altersgruppen, fotografieren per Handy ihre alte Heizung und den Heizungskeller und senden die Fotos samt Grunddaten und Wünschen an eine neue Heizung per Whatsapp oder Mail an Kesselheld. Und bekommen vom Kundenberater ruckzuck, wie Teichmann sagt, in der Regel am gleichen Tag, ein, zwei Angebote mit Festpreisgarantie. Wird man sich einig, rücken Installateure aus.

Da die Laufzeiten der heute zwar viel effizienteren, aber eben auch empfindlicheren Heizungsanlagen von einst 30 auf 15 Jahre im Schnitt gesunken sind, ist das ein lukrativer Markt. Zwischen 4000 und 8000 Euro kostet eine normale Anlage, 5000 Anfragen habe man mittlerweile im Monat, sagt Teichmann, gut 1500 neue Heizungen werde man 2018 verbauen. Einen Wartungs- und Reparaturservice bietet Kesselheld darüber hinaus nur den Kunden an, denen man eine neue Heizung eingebaut hat.

Weil man einen Großteil der Prozesse von der Angebotskalkulation über Fotobegehung bis zur Rechnungsstellung digitalisiert habe, „können wir die so gewonnene Kosten- und Zeitersparnis an die Kunden weitergeben“, verspricht Teichmann.

Ob Kesselheld tatsächlich preiswerter als die herkömmlichen Betriebe ist, können nur die Kunden mit konkreten Preisvergleichen herausfinden. Das Unternehmen ist Mitglied der Innung, dennoch ist man dort natürlich nicht nur begeistert von der modernen Konkurrenz: „Das ist ein Mitbewerber, der sich Abläufe geschaffen hat, die viele andere noch nicht haben, das muss man selbstkritisch zugeben“, sagt Hans-Werner Eschrich, Obermeister der Düsseldorfer Innung Sanitär, Heizung und Klima. Aber er sagt auch: „Alle Betriebe kochen nur mit Wasser“, und meint damit, dass der Newcomer kein Hexenwerk vorführe. Geärgert habe man sich über die „Kesselhelden“, als die bei einer Fachmesse versucht hätten, anderen Betrieben Mitarbeiter abspenstig zu machen.

Martin Teichmann, der studierte Kaufmann und frühere Berater von Energieunternehmen, will sich nicht auf einen Clinch mit den klassischen Heizungsbetrieben einlassen: „Ich habe größten Respekt vor jedem Einzelnen“, sagt er. Doch zugleich wird er vermutlich hoffen, dass möglichst viele noch möglichst lange weiter analog vor sich hin arbeiten.