Flugzeugabsturz Klinikum übergibt Krankenakten des Copiloten - Debatte über Schweigepflicht
Über eine mögliche Erkrankung des Germanwings-Copiloten gibt es widersprüchliche Angaben. Die Ermittler erhoffen sich von den Krankenakten Aufschluss. Am Absturzort in Frankreich soll das Betreuungszentrum für Angehörige so lange wie nötig offen bleiben.
Düsseldorf/Paris (dpa). Bei den Ermittlungen zur Germanwings-Katastrophe in den Alpen hat die Staatsanwaltschaft jetzt Zugriff auf Krankenhaus-Akten über den Copiloten. Knapp eine Woche nach dem Absturz übermittelte das Uniklinikum Düsseldorf seine Unterlagen am Montag der Ermittlungsbehörde, wie eine Klinik-Sprecherin am Montag sagte.
Der 27-Jährige, der nach bisherigen Erkenntnissen den Airbus mit 150 Menschen an Bord absichtlich abstürzen ließ, war vor einigen Wochen als Patient an das Uniklinikum gekommen. Dabei ging es den Angaben zufolge um „diagnostische Abklärungen“, die aber bislang offiziell nicht näher erläutert wurden.
Die Übergabe der Akten war ursprünglich für Freitag angekündigt worden. Für Berichte, wonach der Copilot an starken psychischen Problemen und auch Sehstörungen gelitten haben soll, war bislang keine Bestätigung zu erhalten. Ob die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft am Montag noch neue Informationen bekanntgeben wollte, war offen.
Vor dem Hintergrund der Katastrophe gewinnt die Diskussion über die ärztliche Schweigepflicht an Fahrt. Der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer forderte eine Lockerung der Schweigepflicht für sensible Berufe: „Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein“, sagte Fischer der „Rheinischen Post“.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte in der „Bild“-Zeitung, wenn Leib und Leben anderer Menschen gefährdet seien, sei „der Arzt verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren“. Dies gelte „ganz besonders im Fall psychischer Erkrankungen und einer möglichen Selbstmordgefahr“.
Dagegen warnte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, vor „vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen“. Die ärztliche Schweigepflicht sei „ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein Menschenrecht“.
Am Absturzort geht die Suche nach weiteren Opfern und nach dem Flugdatenschreiber weiter. Die Fluggesellschaft Germanwings will ihr Betreuungszentrum für Angehörige der Opfer so lange wie nötig offen halten. Das sagte Germanwings-Geschäftsführer Oliver Wagner am Montag nach Angaben eines Lufthansa-Sprechers in Marseille. In einem Hotel der Mittelmeer-Metropole kümmern sich seit Samstag 90 Mitarbeiter um die Angehörigen, die zur Absturzstelle reisen wollen.
Im westfälischen Haltern soll am Karsamstag (4. April) mit einem Trauermarsch der Opfer gedacht werden. Eine Privatperson habe die Veranstaltung mit vorerst geschätzten 2000 bis 2500 Teilnehmern angemeldet, sagte eine Polizeisprecherin in Recklinghausen am Montag. Bei dem Absturz waren am vergangenen Dienstag 16 Schüler und 2 Lehrerinnen des Halterner Gymnasiums ums Leben gekommen.
Der Copilot soll den Airbus A320 auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich in einen Sinkflug versetzt haben, als der Kapitän das Cockpit kurz verließ. Die französische Staatsanwaltschaft schloss aus den Aufzeichnungen des Sprachrekorders, dass der 27-Jährige den Piloten aus dem Cockpit aussperrte. Französische Ermittler untersuchen allerdings weiterhin auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Maschine.