Literatur Krimi erzählt vom Düsseldorf im Jahr 1811

Düsseldorf · Christa Holtei nimmt im Roman „Drei Tage im November“ historisches Geschehen als Rahmen für einen Mordfall. Dabei lernt der Leser viel über Düsseldorf.

„Der Einzug Napoleons in Düsseldorf“: dieser Stich von Johann Petersen ist nach dem Besuch des französischen Kaisers im November 1811 entstanden und zeigt viele der historischen Persönlichkeiten, die auch im Roman von Christa Holtei auftauchen.

Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Der Roman „Drei Tage im November“ hat zwei Protagonisten: Commissar Jakob Hartenfels und Düsseldorf. Während der junge Ermittler im Herbst 1811 versucht, einen Mordfall zu lösen, ist er so in der noch kleinen Stadt unterwegs, dass die Leser viel lernen, wie Düsseldorf damals aussah und wie es sich gerade veränderte. Autorin Christa Holtei bettet ihren Krimi zwischen viele Szenen und Figuren, die kaum für die zentrale Handlung, wohl aber für den historischen Hintergrund wichtig sind.

Der Titel des Romans spielt auf die drei Tage an, an denen der französische Kaiser Napoleon die Stadt besuchte. Das Großherzogtum Berg und damit Düsseldorf standen Anfang des 19. Jahrhunderts unter französischer Herrschaft. Das bescherte den Rheinländern einige Fortschritte wie Vorschriften für die Qualität von Lebensmitteln, den Code civil oder Geld, um die Stadt zu verschönern. So spielt die Geschichte auch in den Zeiten, in denen der Architekt Adolph von Vagedes mithalf, die Stadt neuzugestalten und zum Beispiel das Ratinger Tor bauen ließ, oder Maximilian Weyhe den Hofgarten wiederherstellte und erweiterte. Zugleich litt die Bevölkerung aber auch unter den Franzosen. Für deren Feldzüge wurden hohe Steuern erhoben und junge Männer eingezogen. Außerdem waren Waren aus England mit so hohen Zöllen belegt, dass viele Kaufleute in Not gerieten und der Schmuggel florierte.

Letzteres ist wesentlich für die Handlung des Krimis. Ein junger, zunächst unbekannter Mann wird im Oktober 1811 tot aufgefunden, er ist durch einen Schlag auf den Kopf ums Leben gekommen. Commissar Hartenfels und Polizeidiener Bruck erhalten den Auftrag, den Täter zu finden, bevor Napoleon in die Stadt kommt. Sie lernen einige Kaufmanns-Familien und den Hofrat Hermann Joseph Beuth kennen. Während die meisten Mitglieder der Familien wenig hilfreich sind, weil sie verbergen wollen, dass sie schmuggeln, empfindet Beuth große Sympathie für den Commissar und hilft ihm auf seine Weise.

Der spielerische Umgang mit den historischen Personen und dem Düsseldorf des Jahres 1811 passt zur Autorin. Christa Holtei hat im Bereich englische Literatur, Sprache, Geschichte und Kultur am Anglizistischen Institut der Heinrich-Heine-Universität gearbeitet. Seit 25 Jahren ist sie als Übersetzerin und Autorin tätig. Für den Droste-Verlag hat sie ein Buch über die Düsseldorfer Malerschule geschrieben und den Roman „Das Spiel der Täuschung“, das im Jahr 1834 in der Geburtsstadt der Autorin spielt und in dem Vertreter der damals noch jungen Kunstakademie im Mittelpunkt stehen.

Auch in „Drei Tage im November“ besteht ein Großteil der Figuren aus Personen, die es tatsächlich gegeben hat. Einige davon sind auf dem Bild „Einzug des Kaisers Napoleon in Düsseldorf am 3. November 1811“ zu sehen, etwa Vagedes, Beuth, der Hotelier Wilhelm Breidenbach und sogar der Polizeidiener Bruck. Christa Holtei entwickelt eine Vorstellung davon, wie die Männer und Frauen gewesen sein könnten, unter anderem mit Hilfe der Lebenserinnerungen von Statthalter Jacques Claude Beugnot sowie den Briefen, die Minister-Staatssekretär Pierre-Louis Roederer aus Düsseldorf nach Hause schickte – und in denen er die Formulierung „Klein-Paris“ verwendete. Die wichtigsten fiktiven Figuren sind der Commissar und die Kaufmannsfamilie Schmitz.

Insbesondere Bruck und der Hofrat Beuth erscheinen sehr sympathisch, ihre Auftritte zählen zu den Stärken des Romans. Bruck agiert ein wenig wie der Düsseldorfer Dr. Watson, der neben dem modern ermittelnden und von den passenden Geistesblitzen reichlich versorgten Commissar seine Arbeit tapfer verrichtet. Beuth ist der einzige Vertreter der Oberschicht, den die Autorin nicht mit leichter Ironie beschreibt – abgesehen von seinem Faible für aus der Zeit gefallene Kleidung. Er übernimmt für gleich mehrere Figuren die Vaterrolle und trägt ganz offensichtlich ein großes Herz in der Brust.

Den Figuren, die nicht unmittelbar mit dem Mordfall verbunden sind, widmet Christa Holtei recht viel Raum. Dadurch gewinnt der Rahmen der Handlung eine beachtliche Tiefe: Die Leser erfahren viel über die Stadtplanung und über die Vorbereitung des kaiserlichen Besuchs. So wissen die Beteiligten nicht, wann Napoleon kommt. Sie bereiten alles vor und müssen dann haufenweise Essen wegschmeißen und einen Ball wieder neu ansetzen, weil der Kaiser dann doch noch nicht auftaucht – bis die Kundschafter und Boten endlich die erhoffte Nachricht bringen. Dann dominieren bei den Beteiligten die Sorgen, ob es ihnen denn auch gelingt, sich bei Napoleon beliebt zu machen. Die erwähnte Ironie dieser Passagen sorgt dafür, dass der Leser die Rahmenhandlung nicht nur überfliegt, sondern genießt.

Die beiden Schwächen des Romans sind jeweils mit Stärken verbunden. In der Sprache der Figuren wird deutlich, wie stark Düsseldorf im frühen 19. Jahrhundert von Frankreich beeinflusst war. Wie viele französische Formulierungen damals Alltag waren, ist für viele Leser im 21. Jahrhundert vermutlich neu. Im übrigen lesen sich einige der Dialoge allerdings zu sehr nach Gegenwart und beinhalten Sprachbilder und Redensarten, die dem Leser zu vertraut erscheinen. Ähnlich hin- und hergerissen ist man bei den Ortsbeschreibungen. Meist ist es ein großes Vergnügen, den detaillierten Beschreibungen durch das Düsseldorf von 1811 zu folgen und sich vorzustellen, wie die Stadt damals aussah. Manchmal allerdings tauchen so viele Angaben auf oder Figuren sprechen so unnatürlich über Wege und Gebäude, dass der Leser mit weniger besser hätte leben können.

Fazit: Christa Holtei erzählt einen Krimi, der ohne ständige und unvorhersehbare Wendungen auskommt. Lediglich die damit verbundene Liebesgeschichte hätte es nicht gebraucht. Die Kulisse des alten Düsseldorfs und die historischen Begebenheiten geben dem Roman eine wichtige weitere Dimension und lehren den Leser viel über die Stadt. Die Autorin hat ein Ensemble und einen Rahmen geschaffen, den man gerne in einem weiteren Fall wiedersehen mag.

Christa Holtei: Drei Tage im November, Droste-Verlag, 320 Seiten (Hardcover mit Schutzumschlag), 22 Euro.