Akademie-Rundgang: Glanzvolles von Düsseldorfs Perlenkönigin

Lea Lenhart hat die Kunsthochschule mit ihren Perlen betört. Nun verabschiedet sie sich mit einem Blumenpanorama.

Düsseldorf. Lea Lenhart ist keine geniale Pinselheldin, die spontan das nächste Gemälde mit einigen großartigen Strichen malt. Die 34-jährige Schweizerin, die ihren letzten Rundgang in der Kunstakademie bestreitet, arbeitet mit einer zeitaufwändigen Technik. Statt mit Acryl- oder Ölfarbe entsteht ihre Bildkunst aus winzigen, bunten Glasperlen von 1,9 mal 2,66 Millimeter Größe.

Für diese Glaspartikel hat sie sich ihr eigenes Millimeterpapier entwickelt, mit Zwischenräumen, die um 0,7 Millimeter vom herkömmlichen Quadrat abweichen. "Dadurch verschieben sich die Fäden nicht", sagt sie in Erinnerung an ihr anfängliches Missgeschick.

Die Meisterschülerin von Rissa, die am Montag auch den Akademiebrief erhalten hat, überlegt sich millimetergenau ihre Schritte, rechnet die Abstände von Kette und Schuss, die Anzahl der Perlen und ihr Verhältnis zwischen einer Lilie und einem Mistkäfer aus. Nach der Berechnung kommt die Ausführung mit einer langen Nadel und einem dünnen, aber sehr festen Faden. Tage- und nächtelang sitzt sie über diesen Miniaturen.

Zuweilen steht ihr ihre Freundin zur Seite. Ihr Werk verzaubert, es ist voller Glanz und Farbreichtum. Es bricht das Licht und betört durch seine Nuancen. Aber dieses Faszinosum ist hart erkauft. In ihren Schubladen hortet sie 700 verschiedene Glasnuancen aus aller Herren Länder. Die durchlöcherten Steinchen kommen aus Murano, wo sie 120 Farbtöne kiloweise bestellt. Ein Bastelladen in Düsseldorf beliefert sie auf Bestellung mit weiteren 200 Nuancen, die sie sich selbst zusammenstellt. Inzwischen hat es sich rumgesprochen: Wer im Urlaub einen Laden mit den flimmernden Glasteilchen sieht, soll zugreifen.

Große Perlen mag Lea Lenhart nicht, weil sie keine Abstufungen zulassen. Sie bevorzugt die Minis, die sie abfüllt und in Röhrchen mischt, wobei sie für ungewohnte Farbübergänge sorgt. Sie überlegt: "Welche Fremdfarbe nehme ich zum Grün, um den Käfer aufzuhellen?" Sie weiß aus Erfahrung, dass ein Rot am besten dafür geeignet ist.

Ihre Perlenleidenschaft reicht bis in ihre Kindheit zurück, wo sie jedoch recht wahllos gefädelt hat. Systematische Farbenlehre betrieb sie beim Grundstudium in der Schule für Gestaltung in St. Gallen. Die eigentliche Lehrmeisterin wurde ihre Professorin Rissa, bei der sie jede Farbe im Zusammenhang mit der Gesamtkomposition analysierte. "Zunächst war es ein Suchen und Mischen, später wurde es eine exakte Entscheidung. Ich kann ja nicht einfach grüne Steinchen in eine Menge roter Steinchen kippen. Ich würde die kleinen Dinger nie mehr aus der Masse herausfischen können."

Sie weiß, dass sie bei ihren Kompositionen nicht einfach fädeln darf, jeder Schritt will überlegt sein. Sie nimmt fünf Perlen auf einen von Kette und Schuss unabhängigen Faden, weil mehr Perlen nicht auf eine Nadel passen, und klemmt beides zwischen die dünnen Kettfäden.

Dann sticht sie zurück und zieht die Perlen "unten durch". Ihre Anregungen holt sie sich inzwischen bei den alten Meistern, bei Fra Angelico, bei den Künstlern aus Venedig. Was sie bei ihrer Malereiprofessorin Rissa lernte: "Farben müssen sich gegenseitig verstärken."

Sie ist beliebt mit ihrer Kunst. Im letzten Jahr gelang es ihr, 46 dieser Kunstobjekte über verschiedene Galerien zu verkaufen. Das hört sich viel an, ein Markterfolg ist es dennoch nicht. Dazu ist das Material zu teuer, die Arbeit zu zeitraubend.

Auch die Plexiglas-Kästen sind teuer, auf denen sie ihre Fäden minutiös mit dem Fingernagel ordnet. Aber pfuschen will sie nicht. Dazu ist sie zu akkurat, fast so genau wie ein Schweizer Uhrwerk. Doch nun beginnt der Ernst des Lebens, die Suche nach dem eigenen Atelier. Die Perlenkönigin ist zuversichtlich, dass sie es schaffen wird.