Autor Stephan Weiner: "Ich dachte, mein Lebenslauf sei gut"
Stephan Weiner hat einen Roman über seine Bruchlandung auf dem Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler geschrieben.
Düsseldorf. Das Examen ist in der Tasche, die Fotos für den Lebenslauf sind gemacht, nur noch ein paar Bewerbungen schreiben und der großen Karriere in der Berliner Medienbranche steht nichts mehr im weg. Oder doch? Nach mehr als 50 Bewerbungen sitzt Stephan Weiner noch am Rhein, statt an der Spree. Absahnen konnte er nur Praktikumsstellen — unbezahlt, versteht sich.
„Nach vielen Absagen hat meine Freundin gesagt: ’Du regst dich nur auf. Schreib doch einfach mal über das, was dich so nervt.“ Das hat er getan. 180 Seiten über seine Bruchlandung auf dem Markt der arbeitslosen Geisteswissenschaftler. Therapie oder einfach nur Galgenhumor? „Naja, ich rege mich zwar immer noch auf. Aber besser fühle ich mich schon“, sagt der 28-Jährige.
Alles stimmt natürlich nicht, was er in seinem Buch „Ellbogenland“ schreibt. Ein bisschen künstlerische Freiheit hat sich Weiner schon genommen. „Besonders meine Mutter legt Wert darauf zu betonen, dass sie nicht ist, wie im Buch“, sagt er. In Wirklichkeit stehen seine Eltern hinter ihm. Im Buch ist der Arbeitslose Weiner der wunde Punkt der Familie, den man in der bürgerlichen Familienidylle lieber unter den Teppich kehrt.
Um über die Runden zu kommen, nimmt sein Protagonist jede noch so langweilige Stelle an, hauptsache die Kasse füllt sich mit ein paar Euro. So hat er sich einen besonders blöden Job als Getränkekartenausteiler in der Disko angedichtet:. „Er steht meist ab 20 Uhr vor der Diskothek und gibt kleine Pappkarten an die eintreffenden Gäste aus. Es ist also ein anspruchsvoller Job, vor allem, weil man das Vergnügen hat, mit Betrunkenen jeglicher Couleur in Kontakt treten zu dürfen“, schreibt er.
Viele Geisteswissenschaftler, die schon einmal auf Jobsuche waren, werden Weiners witzigen und selbstironischen Bericht mögen. Und sie werden sich wiedererkennen, als kleines Licht auf dem frustrierenden Stellenmarkt. Am Anfang zeigt er sich noch kämpferisch: „Ich such’ mir 70 weitere Praktikanten und gründe eine Rebellionsarmee. Ach, 200 000 krieg’ ich locker zusammen. Wir starten am Bodensee und werden bis Kiel kämpfen, um dem unerbittlichen System den Finger zu zeigen“, schreibt er.
Im wirklichen Leben hat er nicht gekämpft, sondern lieber kurzzeitig eine Stelle in einer Firma angenommen, die sogenannte Reality-Dokus produziert. Das sind Sendungen mit meist gestellten Situationen, die dem gemeinen Fernsehgucker als echt verkauft werden. Ganz schnell ist er dort zum Aufnahmeleiter geworden. „Nicht alles ist erfunden. Manchmal melden sich auch Leute, die total am Boden sind und sich von den Aufnahmen eine Schönheitsoperation, eine neue Einrichtung oder ähnliches erhoffen. Die werden dort schamlos vorgeführt. Bei so was will ich nicht mitmachen.“ Also zurück auf Anfang.
Nach der 50. Absage hat der Düsseldorfer aufgehört zu zählen. Dabei ist er zu Beginn noch aufgeregt zum Briefkasten gelaufen. Mittlerweile erkennt er die Absagen schon an der Dicke des Briefumschlags. „Es ist furchtbar deprimierend, wenn man eigentlich denkt, der Lebenslauf sei ganz gut. Ich bin ja bereit, für einen Job überall hinzugehen.“ Für Zeitungen hat er geschrieben, bei RTL und dem ZDF reingeschnuppert, am Theater gearbeitet.
Mittlerweile schlägt sich Weiner als Freiberufler durch. Unter anderem macht er die Pressearbeit für „Düsseldorf ist Artig“, einer Plattform für junge Kunst- und Kulturinteressierte. Einmal pro Jahr wird ein Festival initiiert. „Ich kann davon gerade so leben. Meine Miete zahle ich vom Sparkonto. Das Geld haben meine Eltern für mich gespart. Aber ewig hält es natürlich nicht“, sagt er.