Den Krieg mit Punk unterlegt
Premiere: Das FFT Juta zeigt Horvats schwieriges „Ein Kind unserer Zeit“.
Düsseldorf. Kennen Sie das? Sie gehen mit einem guten Gefühl aus einem Theaterstück und wissen eigentlich gar nicht warum? Sie fühlen sich bestens unterhalten, obwohl Sie während der Vorführung alle paar Minuten auf die Uhr blicken? Obwohl Sie beim Rausgehen glauben, es sei sicherlich schon 23 Uhr, dabei ist es gerade erst halb zehn?
So ein Stück ist Ödon von Horvaths (1901 bis 1938) "Ein Kind unserer Zeit" in der Umsetzung des bosnischen Regisseurs Branko Simic, das derzeit im FFT Juta zu sehen ist. Horváths später Exil-Roman als Vorlage macht es dem Regisseur, den Darstellern und dem Zuschauer nicht leicht: Hauptfigur - und eigentlich Alleinunterhalter - ist ein namenloser Soldat. Simic projiziert die Geschichte auf den Hintergrund der Balkankriege. Dazu verspricht die Ankündigung Punk-Musik und Textpassagen weitgehend in Originalsprache. Klingt anstrengend.
Der Soldat ist ein Kind seiner Zeit. Ein naiver Mitläufer, der gerne in Reih und Glied steht. Einer, der die geordneten Dinge liebt, die das Denken überflüssig machen. Ein mit Phrasen vollgestopfter, schuldlos schuldig gewordener Statthalter des Bösen, ob für Führer und Vaterland oder im Bosnien-Krieg. Einer, bei dem sich Mitleid nicht lohnt.
Und doch schafft es Pedrag Kalaba in dieser Rolle, mit wenigen Gesten Sympathie zu erzeugen. Vielleicht ist es die sparsam eingesetzte Mimik. Ganz sicher diese volltönende Stimme und dieser unwiderstehliche Akzent seiner Heimatstadt Belgrad. Geschickt lässt Simic seinen einsamen Protagonisten auf der Bühne nicht allein. Ihm zur Seite steht kongenial interagierend und clownesk verkleidet der bosnische Post-Punker Damir Avdic, der live mit der Gitarre den Soundtrack zum Stück liefert.
Dazu die Künstlerin Biljana Milkov, die parallel zu den Monologen des Soldaten am Computer die Geschichte verbildlicht. Die Projektionen schaffen das sich auf der Leinwand ständig verändernde Bühnenbild.
Woher also stammt trotz dieser vielen gelungenen Kniffe das verzerrte Zeitgefühl? Vielleicht weil das Stück selbst viel von seinem Publikum verlangt. Es verlangt die Konfrontation mit der eigenen Verantwortung. Jeden Tag. Weil es in keiner Situation reicht, Kind seiner Zeit zu sein.
"Ein Kind unserer Zeit" im FFT Juta, Kasernenstraße 6. Karten für die Vorstellungen heute und am Samstag, jeweils 20 Uhr, unter Tel. 0211/87678718 oder im Internet: