Der lange Weg ins Orchester
Berufsporträt: Wie wird man eigentlich Orchestermusiker? Wir fragten zwei Mitglieder der Düsseldorfer Symphoniker.
Düsseldorf. Aus 117 Mitgliedern bestehen die Symphoniker derzeit. Es ist viel geschrieben worden in den vergangenen Monaten über die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Orchestervereinigung und dem Bühnenverein, die sich seit 2004 nicht einigen können. Es geht um die Abkoppelung des Tarifvertrages der Musiker vom öffentlichen Dienst, um längere Arbeitszeiten und eine größere Flexibilität der Einsätze. Ob die Gespräche im Februar weiter gehen, entscheidet sich heute. Ob es dann wieder zu Streiks kommt, weiß noch keiner.
Doch wie sehen die Arbeitsbedingungen der Düsys aus? Wir stellen den Werdegang von zweien vor: der 31-jährigen Birgit Roth (Piccolo-Flöte) und der 33-jährigen Jutta Bunnenberg (2.Violine). Roth spielt seit 2006 in Düsseldorf, Bunnenberg seit 2003. Gerade wurde sie zur Vorspielerin ihrer Gruppe gewählt.
Birgit Roth stammt aus Augsburg. Bereits mit fünf Jahren bekam sie Klavierunterricht, mit elf fing sie an, Flöte zu spielen. Mit 17 Jahren war sie Jungstudentin des Richard-Strauß-Konservatoriums in München und studierte ein Jahr parallel zur Schule. Bis zum Vordiplom blieb sie in München, wechselte für das Diplom nach Saarbrücken. Dort spielte sie ein Jahr stellvertretend die Soloflöte an der Oper. "Das war schon großer Stress, aber man lernt viel", sagt sie. Birgit Roth studierte im Hauptfach Flöte, im Nebenfach Klavier. Nun ist sie diplomierte Orchester- und Kammermusikerin.
Jutta Bunnenberg stammt aus Kleve und spielte mit fünf Jahren Geige, mit sechs Jahren kam Klavier hinzu. Im Alter von elf Jahren bekam sie Privatunterricht von Prof. Gaiser von der Schumann-Hochschule. Mit 16 Jahren wurde sie dort Jungstudentin - neben der Schule.
"Man muss das schon sehr wollen", sagt sie. "Meine Eltern haben mich unterstützt und immer darauf geachtet, dass ich übe." Anschließend an das Abitur studierte sie in Detmold Geige als Haupt- und Klavier als Nebenfach. Während der Endphase ihres Studiums absolvierte sie schon ein Praktikum bei den Düsys und spielte regelmäßig mit. Beide Musikerinnen schlossen noch ein Aufbaustudium an, bevor sie sich auf Jobsuche machten.
Birgit Roth war Praktikantin in Stuttgart, anschließend spielte sie zwei Jahre lang stellvertretend Soloflöte in Berlin. Sie hat in über 30 Städten vorgespielt, Solo-, aber auch Piccolo-Flöte, bevor sie bei den Düsys engagiert wurde. "Man muss flexibel sein und darf sich nicht zu sehr festlegen", sagt sie. Wie sie das erste Mal in der Tonhalle war, sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen: "Dieser Anblick vom Rhein - der war so toll", schwärmt sie. Jutta Bunnenberg suchte eine Stelle in NRW, weil ihr Mann als Fagottist beim Gürzenich-Orchester spielt.
In meistens drei Runden müssen die Musiker vorspielen, um eine Stelle im Orchester bekommen zu können. Man spielt hinter einem Vorhang, damit man denjenigen nicht erkennen kann, der spielt. Nur etwa fünf Minuten bleiben den Musikern, um zu überzeugen. Flöte wie auch Geige müssen Teile eines Mozart-Konzertes vorspielen. Dann wird direkt hart gesiebt: Nach der ersten Runde bleiben von etwa 25 Bewerbern nur drei übrig. Diese müssen dann ein romantisches Konzert spielen. "Bei der letzten Runde spielt man dann Orchesterstellen - aber allein", erklärt Bunnenberg die schwierige Aufgabe.
Für die Instrumente muss jeder Musiker selbst sorgen. Viele Nachwuchskünstler verschulden sich erst einmal, um die teuren Instrumente bezahlen zu können. Eine Piccoloflöte aus Weißgold (klingt besser) kostet etwa 20000 Euro, eine Geige, wie die von Bunnenberg, 35000 Euro.
Wenn man das Engagement erhält, hat man meistens ein Jahr Probezeit. Nach sechs Monaten wird häufig schon entschieden, ob man die Stelle bekommt oder nicht. Ganz demokratisch stimmt die jeweilige Instrumentengruppe ab, ob man die Festanstellung erhält oder nicht. "Die direkten Kollegen bekommen am besten mit, wie man wirklich spielt", erklärt Birgit Roth. Aber der Generalmusikdirektor könnte ein Veto einlegen - was eher selten passiert. Dann steht einem unbefristeten Vertrag als Orchestermusiker nichts mehr im Wege.
Der aktuelle Tarifvertrag sieht 64Dienste in acht Wochen vor. Ein Dienst ist entweder eine Vorstellung in der Oper oder ein Konzert in der Tonhalle oder eine Probe in einem von beiden Häusern. Vor Premieren und Konzerten wird im Schnitt zwei Mal pro Tag geprobt. "Diese Saison haben wir sehr viele Dienste, weil es viele Opernpremieren gibt, die sehr groß besetzt sind", erklärt Birgit Roth. 24 Wochenarbeitsstunden werden im Schnitt gerechnet, darin sind die vielen Proben zu Hause nicht inklusive. "Das ist ganz normal. Manchmal sitze ich mit den Noten und höre mir ein Stück oder eine Oper auf CD an, um mich vorzubereiten."
Bunnenberg: "Man muss sehr flexibel sein, praktisch immer zur Verfügung stehen, was bei mir als Mutter eines 15-monatigen Jungen schwer ist." Wenn jemand ausfällt, muss man bereit sein, sofort einzuspringen und nötigenfalls eine ganze Oper vom Blatt spielen, ohne Proben. Wie andere Bühnenangehörige bekommen die Düsys im Sommer, während der Spielzeitpause, sechs Wochen Ferien. "Doch zwei Wochen vor Ferienende fangen wir spätestens schon wieder an, uns auf die Konzerte vorzubereiten", sagt die Frau, die gerne die 2. Geige spielt. Vieles ließe sich vertraglich gar nicht festlegen.
Der Tarifvertrag stammt noch aus dem Jahr 2004. Das Anfangsgehalt inklusive Zulagen liegt bei ca. 3000 Euro brutto. Alle zwei Jahre folgt eine Steigerung bis zum 10. Berufsjahr. Dann ist das höchste Gehalt, ca. 4000 Euro brutto, erreicht. Natürlich kann man immer individuell aushandeln. Außerdem können die Musiker bei anderen Orchestern einspringen oder mal ein Kammerkonzert mitspielen. Dafür gibt es ein Extrahonorar. "Wenn man 200 Euro bekommt, aber vorher 20 Stunden geprobt hat, ist das Honorar nicht so üppig", erklärt Birgit Roth.