Düsseldorf Malerin Pia Fries, ein Malerei-Star ohne Allüren

Düsseldorf · Ein Porträt der gebürtigen Schweizerin anlässlich der Ausstellung „Fabelfakt“ im Kunstpalast am Ehrenhof.

Pia Fries präsentiert im Kunstpalast einen Überblick über ihr Werk aus den letzten 20 Jahren.

Foto: Helga Meister

In Düsseldorf dauert es erschreckend lange, bis man einer Malerin vom Kaliber einer Pia Fries die Tore öffnet. Die lautstarken Heroen hatten es einfacher als die 63-Jährige, die ohne Springerstiefel und Totenkopf-Stöcke auskommt. Sie liebt es leise, hält sich eher im Hintergrund, hat noch immer den schwizerdütschen Zungenschlag, aber toppt doch mit Pinsel und Spachtel selbst ihren Lehrer Gerhard Richter, wenn es um die Energie auf der Leinwand oder dem Holzbrett geht. Sie war die Erste in der Szene, die so frei mit der Farbe umging. Nun endlich gönnt ihr der Kunstpalast eine Ausstellung.

Pia Fries gehört zur Ateliergemeinschaft Höherweg 271 von 1994, die länger als jede wichtige Künstlergruppierung des 20. Jahrhunderts besteht. Sie ist die treibende Kraft, wenn es darum geht, Brücken zu Gastkünstlern aus aller Herren Länder zu bauen. Tür an Tür arbeitete sie mit der sechs Jahre jüngeren Katharina Grosse, der sie manche Impulse ihrer eigenen Verve weiterreichte.

Ein Füllhorn an Farben ergießt sich über Leinwand und Holz

Nun also erhält Pia  Fries, Malerei-Professorin in München, ihre erste Schau am Ehrenhof,  wo sich kein einziges Werk in der Sammlung befindet. Aber diese Frau aus dem Kanton Luzern ist nicht nachtragend. Sie schüttet ihr Füllhorn an Farben in sieben Kabinetten aus. Oder genauer: Sie beweist, was man mit der Farbmaterie und den unterschiedlichsten Instrumenten auf einem Bilduntergrund schaffen kann, ohne die Oberfläche zuzukleistern. Sie erzeugt Metamorphosen zwischen Bildgrund und Oberfläche, Materie und Freiraum. Man meint, manche Farbe sei im Begriff, aus dem Untergrund auszufliegen zu ihm zurückzukehren. Die Bewegung trägt die Kompositionen wie ein Wirbelwind, eine aufgebauschte Fahne oder ein Segel zwischen Himmel und Erde.

Malerei ist hier eine Berg- und Talfahrt. Alles kommuniziert im Bild, und jedes Bild in jedem Raum kommuniziert mit seinem Nachbarn. Immer springt ein Funke über. Dies geschieht durch Verwischungen oder Übergänge mit der Hand, dem Pinsel, Spachtel oder Kamm. Zuweilen ist es auch die Spritztüte, aus der statt der Schlagsahne eine selbst gemischte Farbpaste herausquillt. Mal schleicht ein Streifen Malbutter mit unverdünnter Ölfarbe wie eine Raupe durchs Bild oder verharrt wie die Furchen eines Spargelbeets, auf dessen Höhung die zweite Farbe  schaukelt.

Die Künstlerin spielt mit der Schönheit, betont aber sofort, es handele sich um eine „erkämpfte Schönheit“. Sie liebt nämlich nicht nur den zauberhaften Dialog zwischen kostbaren Farbnuancen, sondern auch das Rohe und Schroffe, wenn sie etwa eine Wellpappe einschiebt. „Ich will das Störrische mit dem Elaborierten zusammenbringen. Beides muss miteinander ringen“, sagt sie.

Nun ist das Ergebnis keine wilde Malerei. Im Gegenteil, es geht um klar durchdachte Transformationsprozesse. Seit fast 20 Jahren kombiniert sie Ölmalerei mit Druckgrafik. Es sei Zufall gewesen, dass sie ein Buch von Maria Sibylla Merian mit 60 Kupferstichen in einem antiquarischen Billigbuchladen sah und sofort zehn Exemplare kaufte, um zu experimentieren. „An der Merian interessierte mich das Verwandeln. Sie hat den Zusammenhang zwischen Raupe und Schmetterling hergestellt. Das ist eine schöne Metapher für die Malerei. Ob ich mit dem Pinsel eine leichte Spur setze oder mit Druck male, es ist stets eine Veränderung.“

Für die ersten drei Arbeiten der Serie „Merian“ vergrößerte sie die Blätter aus dem Buch und presste  das jeweilige Faksimile im Abklatschverfahren als Monotypie auf den Untergrund. Seitdem benutzt sie Holz als Untergrund, also ein gewachsenes Material mit Maserung und leichtem Gelbton. So könne sie den Bildträger malträtieren, mit Figur und Grund spielen und Farben auftragen oder abschaben.

In der Werkfolge „Der Name der Farbe“ wird die Farbe modelliert,  aber es werden auch Fotos von dreidimensionalen Farbplastiken aufs Holz gedruckt. Nun scheint sich  die abgebildete Flachware wie ein illusionistischer Trick aus dem Untergrund zu schieben, aber gleichzeitig  springt die Farbe als dreidimensionale Materie aus dem Fond. In der Serie „Weisswirt und Maserzug“ (derlei Titel sind purer Spaß mit einer Priese Tiefsinn) malt sie Holzklötzchen in Farbe, lässt aber die obere Schnittfläche frei, so dass das Holz als Trägermaterial und als Motiv zusammenfallen. Es ist, als amüsiere sich die Künstlerin über die Illusion.

Pia Fries arbeitet auf dem Boden, wo sie schütten und schieben kann. Immer wieder aber stellt sie das Bild auch auf, so dass die Farbe ins Rutschen kommt. An die Wand gehängt, scheint eine „Fahne“ wie die große Welle des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai vom Wind emporgehoben zu sein. Dann wieder schaut das barocke Bein eines Putto als Fragment aus einem Siebdruck hervor. Wohin die Fahrt geht, ist ungewiss. Aber die Unwägbarkeit gehört auch zur Kunst dieser Malerin.

Info: Pia Fries stellt unter dem Titel „Fabelfakt“ vom 28.3. bis 16.6. im Kunstpalast aus, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf