Kultur Gemischtes Doppel in Zeiten der Krise

Düsseldorf · Die Generalprobe für das abgesagte Stück „Extrawurst“ in Theater an der Kö wurde durchgezogen.

Das Ensemble in „Extrawurst“: Stefan Bockelmann, Martin Zuhr, Madeleine Niesche, Parbet Chugh und Stephan Schleberger.

Foto: ja/Dennis Häntzschel

Abschiedsgefühle und Wehmut erfüllten fünf Schauspieler, einen Regisseur und den Hausherrn René Heinersdorff am Mittwochmittag im Theater an der Kö. „Wer weiß, wann wir hier wieder auf der Bühne stehen“ fragt Heinersdorff nachdenklich nach einer seltsam beklemmenden Generalprobe. Denn genauso wie alle Theater der Republik – öffentlich finanzierte und private – sind auch bei ihm die Schotten dicht. Letzte Vorstellung des abgespielten Stücks war Sonntag – ähnlich wie in der Komödie. Ältere Zuschauer kamen trotz Virus-Warnung. Abgesagt hätten jüngere Abonnenten.

„In 25 Jahren sind bei uns nur sechs Vorstellungen ausgefallen“, erinnert sich Heinersdorff. Wenn auch vor einigen Tagen schon die Premiere des neuen Stücks „Extrawurst“ von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob am Freitag abgesagt worden war, so hielten Theaterleiter, Regisseur Volker Schmalöer und seine Crew dennoch am Termin der Generalprobe fest. Und traten vor leeren Reihen auf. Etwa zehn geladene Freunde kauerten in den Sesseln – verstreut im Sicherheitsabstand von mindestens zehn Metern. Die Mimen beweisen: Sie sind vorbereitet auf den Tag X – auf den Abend, wenn der Vorhang wieder aufgeht.

Gespenstisch und leicht deprimierend – genauso wie die Innenstadt, die trotz Frühjahrswärme und Sonnenschein verwaist war und fast wie ausgestorben da lag –, so war auch die Stimmung bei Madeleine Niesche, Martin Zuhr, Stefan Bockelmann, Parbet Chugh und Stephan Schleberger. Gemischt mit einem Schuss Galgenhumor. Die Atmosphäre in dem beißend satirischen Stück kommt leicht und locker ironisch über die Rampe und sprüht streckenweise von kabarettistischem Humor.

Es geht um einen rasanten Schlagabtausch von liebgewordenen Vorurteilen gegenüber türkischen Mitbürgern drapiert in ein Tennis-Doppel im fiktiven Club „TC Lengenheide“ – gespielt von dem ungleichen Paar Melanie Pfaff (Madeleine Niesche) und Erol Outran (Parbet Chugh). Sie sind Doppel-Meister auf dem Tenniscourt, verheiratet aber mit anderen Partnern. Besonders Melanies Gatte Torsten (Stefan Bockelmann) hat damit seine Schwierigkeiten. Mit Händen in der Hose gockelt Bockelmann im Club hin und her und mimt den coolen, weltoffenen und toleranten Werbe-Heini. Plötzlich wird er eifersüchtig auf die sportlich gemeinten Umarmungen zwischen seiner Frau und dem türkischen Tennis-Crack.

Der Streit entzündet sich in einer fiktiven Mitgliederversammlung des Clubs: Abgestimmt wird über die Anschaffung eines neuen Würstchen-Grills für kommende Feste der Clubmitglieder. Haarsträubende, urkomische Wortgefechte entwickeln sich, da der Türke Erol kein Schweinefleisch essen will und seine Lammwürstchen nicht auf einen Grill legen will, auf dem zuvor Schweinefleisch gekokelt wurde. Dem schwerfälligen, betulichen und barocken Club-Vorsitzenden Dr. Heribert Bräsemann (Martin Zuhr) gelingt es kaum den Streit zu schlichten…

Vor der Generalprobe öffneten die Darsteller im Gespräch (geführt im Foyer, ebenfalls im mittlerweile üblichen Sicherheits-Abstand) ihre Herzen. Keiner der fünf weiß, wie’s für sie persönlich weitergeht, wie lange Geschäfte und Theater geschlossen bleiben, um die schnelle Verbreitung des so unberechenbaren Corona-Virus‘ zu verhindern, die Zahl der Neu-Infektionen drastisch ‚runterzudrücken. Jeder der fünf gibt aber zu, dass Politiker keine andere Wahl haben.

Wann sie ihre nächste Gage bekommen? Das steht in den Sternen. Sie alle sind „Freischaffende“ mit Stück-Verträgen. Gezahlt wird nur, wenn sie abends auftreten. Arbeitslosengeld beantragen können nur die wenigsten. Wenn’s hart kommt, müssen einige Hartz IV beantragen, sagen sie.

Auch Drehtermine für Film und Fernsehen wie bei Madeleine Niesche (bekannt durch ‚Rote Rosen‘-Serie) wurden in den letzten Tagen abgesagt. Nur die Ufa drehe noch, heißt es. Heinersdorff indes kümmert sich um Anträge für Kurzarbeit – eine Maßnahme, die vorgestern in Berlin beschlossen wurde.

„Wenn wir länger als zwei Monate dicht machen müssen, sind auch wir pleite,“ sagt der Theaterchef. Auch er hofft auf Hilfe vom Staat. Einer der Mimen fordert: „Wenn der Staat Theater lahmlegt, dann müssen auch die Schauspieler Hilfe von ihm bekommen.“ Anders sei das in der Oper und im Schauspielhaus – dort haben fast alle feste Verträge und werden, bei vorübergehender Theaterschließung durch „höhere Gewalt“, weiterbezahlt.

Trotz allem: Die Generalprobe für „Extrawurst“ war nicht überflüssig. Denn im Sommer und Herbst sollen sie mit diesem zündenden Stück (es hat das Zeug für einen Kassenschlager!) mehrere Monate auf Tournee gehen. Essen, Köln und Bonn stehen auf dem Plan. Verträge sind unterschrieben, aber die nützen ihnen eben nur, wenn die Häuser dann wieder geöffnet sind.