Ein Moment an Wagners Flügel
WZ-Autor Lars Wallerang durfte für ein paar Stücke das Klavier im hiesigen Steinway-Haus testen.
Düsseldorf. Dunkles Nussbraun mit einer leichten Kupfer-Nuance — so schimmert die Farbe des mehr als 2,70 Meter langen Konzertflügels, der einst dem Komponisten Richard Wagner gehörte. Im aufgeklappten Tastendeckel steht in goldenen, gotisch gezackten Lettern: „Festgruß aus Steinway Hall an Richard Wagner Steinway & Sons New York 1876 Opus 34304“. Seit dem Schenkungsdatum befindet sich das Instrument im Haus Wahnfried in Bayreuth, doch nun ging es auf Wanderschaft und weilt für mehrere Tage, noch bis zum 9. November, im Steinway-Haus an der Immermannstraße.
Andere Klänge als die von Wagner traut man sich zunächst gar nicht aus der majestätischen Musikantiquität herauszulocken. Also greifen wir zu den „Meistersingern“ in der Klavierbearbeitung des Wagner-Jüngers Hugo Wolf. Das Thema des Wachauf-Chors klingt auf dem 137 Jahre alten Flügel breit, voll und orchestral. Man meint, mehr als ein Klavier zu hören.
Die „Meistersinger“ allerdings kann Wagner, der meist am Klavier komponierte, nicht an diesem Steinway geschrieben haben, wohl aber sein letztes Werk, das 1882 in Bayreuth uraufgeführte Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Franz Liszt, der im Salon der Familie Wagner ein- und ausging und freilich auch auf dem Flügel spielte, machte aus der Musik zum Feierlichen Marsch der Gralsritter eine Klavier-Bearbeitungen. Insbesondere dieses Stück klingt auf dem Flügel geradezu magisch. Die schreitenden Bass-Oktaven tönen wie dunkle Glocken, aber nicht metallisch hart, sondern zugleich weich wie von Samt gedämpft. Es ist verblüffend, wie charakteristisch Wagners Musik an seinem Instrument klingt, so als hätten die damaligen New Yorker Klavierbaumeister ganz auf diesen Klang hingearbeitet.
Wenn man nun wagt, einen anderen Komponisten zu probieren, stellt sich heraus, dass romantische Musik generell fulminant an diesem Flügel zur Geltung kommt. Der berühmte Walzer cis-Moll von Chopin klingt nach luxuriösem Salon — so wie ihn Wagner liebte. Sogar ein Intermezzo des Wagner-Antipoden Johannes Brahms lässt sich gut an und verströmt sonoren Ernst. Da Wagner-Freund Liszt sich nichts damit vergab, aus Giuseppe Verdis „Rigoletto“ eine Konzert-Paraphrase zu kreieren, grenzt es nicht an Entweihung, auch dieses Stück dem Flügel des deutschen Romantikers zuzumuten. Und auch die Musik von Wagners italienischem Gegenspieler heißt das Instrument gutmütig willkommen, ja es erweist sich als ungemein geschmeidig beim Spielen bravouröser Girlanden. Kompositionen früherer Epochen, etwa Stücke von Bach oder Mozart, klingen hier indes ein wenig fremd.
Es grenzt übrigens an ein Wunder, dass der Wagner-Flügel unversehrt zu besichtigen ist. 1945 traf eine Fliegerbombe das Haus Wahnfried, das davon stark beschädigt, ja nahezu vernichtet wurde. Doch ausgerechnet die Empfangshalle, in der der Flügel seinen Stammplatz hatte, blieb weitgehend verschont — und mit ihr das kostbare Instrument.
Jetzt, anlässlich des 200. Geburtstags Richard Wagners, wird das in der Nachkriegszeit wieder hergerichtete und zum Museum konservierte Haus so gründlich saniert, dass der Flügel ausquartiert werden musste. Er steht für jeweils mehrere Tage in den deutschen Steinway-Häusern, wird von den Technikern professionell betreut. Und da die Experten wissen, dass alte Klaviere Berührungen standhalten, ist es jedem ernsthaft Interessierten erlaubt, an Wagners Flügel zu spielen. Erforderlich ist allerdings eine Anmeldung unter der Telefonnummer 49 39 37 0.