Düsseldorf Ensemble besteht Puccinis „Turandot“ mit Bravour
Düsseldorf. Prinzessin Turandot ist eine furchterregende Ringeltaube unter den Frauen im heiratsfähigen Alter. Der Sage nach ist sie begehrenswert. Aber mit Hilfe dreier fast unlösbarer Rätsel hält sich die chinesische Kaisertochter Liebhaber vom Hals, indem sie alle ausländischen Prinzen, die eine falsche Antwort geben, bis Stückbeginn allesamt köpfen lässt.
Der italienische Spätromantiker Giacomo Puccini hat aus diesem etwas kruden Sujet eine grandiose Oper geschaffen, die vor Pathos und Emotionen nur so überquillt. An der Rheinoper gibt es von dem Stück eine Neuinszenierung, bewerkstelligt von einem Team um den taiwanesischen Regisseur Huan-Hsiung Li. Nach der Duisburger Premiere war nun Übernahme-Start im Opernhaus Düsseldorf.
Die Visualisierung ist schlicht und etwas wirr zugleich. Das Regieteam präsentiert zunächst eine recht aufgeräumte Bühne. Zu sehen ist hauptsächlich eine asiatische Palast-Silhouette, vor der die Figuren agieren. Ganz im Hintergrund laufen Lichtspiel-Projektionen, gelegentlich auch im Vordergrund unter Zuhilfenahme mobiler Leinwände. Dort flimmert mancherlei vorüber: Zu Beginn gibt es kurze Filmsequenzen politischer Ereignisse im Jahr 2014, asiatische Skylines tauchen auf, eine junge Frau in stummer Rolle betritt die Bühne und irrt getrieben und etwas verzweifelt umher. Das sind Momente, die nicht direkt etwas mit der Turandot-Handlung zu tun haben, dem Regisseur aber wichtig zu sein scheinen. Leider besitzen diese Einfügungen keine klare Kontur und Konsequenz, sondern verharren im luftleeren Raum. Zum Glück tauchen sie so selten auf, dass sie kaum stören.
Insgesamt vermag die Inszenierung die Handlung verständlich und bewegend über die Rampe zu bringen. Neben einer klassischen Personenregie ohne allzu viele Experimente gibt es zahlreiche Filmprojektionen, die Hintergründe der Handlung in stilisierten Bildern sichtbar machen, beispielsweise das Verströmen von Blut in Form von wässrig verschwimmenden Farbtupfern. An der etwas hausbackenen technischen Umsetzung ließe sich wohl noch feilen und modernisieren. Ein absoluter Hingucker ist derweil das schillernde rote Prachtgewand der Turandot.
Sängerisch und orchestral hat die Rheinopern-Produktion Wundervolles zu bieten: Linda Watson bewältigt die anstrengende Titelpartie mit eindrucksvoller Souveränität und erinnert damit an die legendäre Birgit Nilsson. Gute Turandot-Sängerinnen kann man heute weltweit an ein bis zwei Händen abzählen. Nicht minder erfreulich ist die Leistung von Anke Krabbe als Sklavin Liu. Krabbe singt die Dienerinnen-Partie mit Hingabe, dabei fein und mit schönem Schmelz. Star des Abends war der junge koreanische Tenor Yonghoon Lee, der mit Strahlkraft und darstellerischer Differenzierung die Rolle des todesmutigen Prinzen Kalaf meisterte. Ihm gelang auch die berühmte Arie „Nessun dorma“ — „Niemand schlafe“ ungemein farbintensiv. Am Ende der Vorstellung gab es insbesondere für ihn neben Beifallsjubel sogar stehende Ovationen.
Eine Sternstunde haben die Düsseldorfer Symphoniker sowie Rheinopern-Chor (Einstudierung: Gerhard Michalski) und Kinderchor (Justine Wanat) unter der Leitung von Wen-Pin Chien. Das an den Klangästheten Strauss und Wagner erprobte Orchester vermag auch bei dem nicht minder raffinierten Puccini alle Register zu ziehen und den passenden Sound zum Auftauen des tiefgefrorenen Prinzessinnen-Herzens zu liefern.