Musik Konzert in Düsseldorf: Frank Turner ist der Prediger mit der Gitarre
Düsseldorf · Mit Rock’n’Roll die Welt retten: Frank Turner spielte in der Mitsubishi Electric Halle.
Eigentlich ist er überzeugter Atheist. Aber ausgerechnet im gotteslästerlichsten Moment dieses Abends wird klar, dass Frank Turner dann doch irgendwie mit dem lieben Herrn dort oben kokettiert. „There is no god“, singt der Engländer in einer Mischung aus guter Laune und ein klein wenig Gehässigkeit, während er ein paar Akkorde auf der Akustischen schrammelt. Die nächste Zeile lautet: „So clap your hands together“. Und 4000 Menschen in der Halle an der Siegburger Straße klatschen und gröhlen die Gottesleugnung mit und sind plötzlich Darsteller in einer: Messe. Einer Gospelmesse. Unten, vor der Bühne, das Volk, das sich Worten und Tönen hingibt und darin glückselig aufgeht mit Lächeln und Grinsen und Lachen. Dort oben dieser Derwisch in Jeans und Hemd, der in allem, was er zwei Stunden lang tut, nicht nur wie ein Musiker rüberkommt, sondern wie ein Prediger. Ja: Frank Turner ist ein Prediger.
Frank Turner will mit seinen Songs die Welt schöner machen
Und das, was er bei diesem letzten Auftritt einer über eineinhalb Jahre dauernden Welttournee noch einmal predigt, ist – kleine Lästereien gegen den Chef da oben mal ausgenommen – durchweg gut. Beinahe christlich, könnte man sagen. „Be More Kind“ heißt ja seine aktuelle Platte. „Seid freundlicher zueinander“. Das Album davor trug den Namen „Positive Songs For Negative People“ – positive Lieder für negative Menschen. Das zeigt schon: Der 36-Jährige – geistig sozialisiert und nach wie vor fest verwurzelt in der Punkszene, auch wenn seine Musik heute viel mehr Indie und Folk und Liedermacherei ist – will die Menschen einen und dadurch die Welt schöner machen. Es ist bekannt, dass Frank Turner einer der ehrlichsten und freundlichsten Zeitgenossen im verkommenen und oftmals niederträchtigen Pop- und Rockbusiness ist. Dass er mit jedem gut kann. Dass er Menschen gerne eine Umarmung schenkt. Dass er gerne darüber plaudert, sich am liebsten mit jedem einzelnen, der seine Platten kauft und ihn toll findet, auf ein Bier an den Tresen der nächstbesten Kneipe zu setzen. Und dort würde er dann mit dem Gegenüber quatschen und gemeinsam mit ihm oder ihr weinen und lachen.
Und wenn er ein Konzert gibt, wird das noch deutlicher: Frank Turner, so denkt man unweigerlich, will einen mit Liebe überschütten und derrat mit Euphorie vollpumpen, dass man am liebsten zum Handstand im wüsten und wilden Moshpit vor der Bühne ansetzen würde – einfach, um dieses ominöse „Es“, diese Urgewalt der Seele, rauszulassen und für einen Moment voller Freude sicher zu sein: Es wird alles gut. Der Mensch hat bislang alles überlebt. Und er wird auch all das überleben, was da an Wahnsinn noch kommt. Solange es nur Typen wie Frank Turner gibt, die mit einer Umarmung oder einem Song den Schmerz lindern.
Turner lässt sich von den Fans auf Händen tragen
Nur recht und billig ist es da, dass sich der Prediger am Ende – befeuert ebenso von der Liebe, die ihm von vorne entgegenbrandet, als auch von der famosen Band, die sich um ihn herum mit Verve durch die Arrangements wühlt und pumpt – ins Publikum wirft, dort auf Händen tragen lässt, mit jungen Damen tanzt, gestandene Kerle herzt – und erklärt, dass der Rock’n’Roll die Welt rettet. Der simple, einfach Rock’n’Roll. Seine Bibel. Sein Mantra. Sein Credo. „Now who’d have thought that after all something as simple as Rock’n’Roll would save us all?” Anders gesagt: Es kommt nur darauf an, die Menschen zusammenzubringen und ihnen einen Anlass zu geben, das Leben zu feiern. Frank Turner, der atheistische Prediger mit Gitarre, liefert diesen Grund.