Grenzerfahrungen auf der Bühne
Die Akteure von Kabawil inszenieren ihr eigenes Tanz-Theater-Projekt. Morgen feiert „Enchiridion“ Premiere.
Düsseldorf. Das Licht erlischt, eine Frauenstimme ruft „Konzentration!“ — und sogleich brechen Gemurmel und Gelächter ab. Von einer Sekunde zur nächsten herrscht Stille auf der Bühne. Und Dunkelheit, nur durchbrochen vom Licht der Lampen, die die jungen Akteure in Händen halten. Sie stehen im Halbkreis um ein Mädchen, das regungslos auf dem Boden liegt. Nacheinander legen die Darsteller ihre Lampen nieder. Die Szene einer Beerdigung, wie Petra Kron erklärend flüstert. Sie ist die Leiterin des Stücks „Enchiridion“, für das im FFT gerade geprobt wird.
„Tod und Geburt sind zwei Grenzen unseres Lebens“, sagt Kron. Grenzen, darum geht es in der neuen Produktion von Kabawil, einem Verein, der Kinder und Jugendliche in kulturelle Projekte einbinden will. „Enchiridion“ ist Griechisch und bedeutet Handbuch. Das Handbuch, das 18 junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren aus Düsseldorf und Umgebung in den vergangenen Monaten entworfen haben, soll ihre individuellen Grenzerfahrungen auf die Bühne bringen. In ganz unterschiedlichen Formen. Der erste Teil des Stücks widmet sich dem Schauspiel, im zweiten Teil wird zeitgenössisch getanzt, im dritten gesungen. Alle Texte haben die Darsteller selbst verfasst.
„Es geht dabei nicht um geografische, sondern um die inneren und äußeren Grenzen“, erläutert Kron. „Wie nehme ich mich selbst wahr und wie werde ich wahrgenommen? Wo sind meine persönlichen Grenzen und wo will ich sie überwinden?“ Fremd- und Selbstwahrnehmung spielten dabei eine zentrale Rolle. Ein aktuelles Thema also. Und eines, in dem sich jeder wiederfinden kann, findet die 18-jährige Sarah. „Grenzen betreffen jeden von uns, jeder kennt sie“, meint die Schülerin. Von Grenzen, die man sich selbst zieht, bis hin zu solchen, die andere einem setzen. Teamkollege Jack stimmt ihr zu. „Vor allem in der Arbeitswelt gibt es Grenzen, das habe ich zuletzt im Praktikum gelernt“, berichtet der 20-Jährige.
Nicht immer könne er dort sein wahres Gesicht zeigen. „Man hält einen Teil von sich zurück“, meint er. Es scheint, als könnte die Diskussion noch stundenlang so weitergehen, müssten die beiden nicht irgendwann zu den Proben zurückkehren. Schließlich bleibt nicht mehr viel Zeit bis zur Premiere. Doch die Stimmung ist euphorisch, trotz der harten Arbeit. „Irgendwann denkt man, ich kann nicht mehr, aber irgendwie geht es dann doch weiter“, meint Sarah. Grenzüberschreitung in der Praxis, auch das haben sie gelernt.