Wiederaufnahme Xerxes — die letzte Barockoper der Welt

Düsseldorf · Stefan Herheims Inszenierung von Händels Oper ist zurzeit wieder zu sehen.

Händels Oper „Xerxes“ ist zurzeit wieder zu sehen.

Foto: Hans Joerg Michel/Hans Jörg Michel

Sie ist wieder da und wird zu Recht vom Publikum bejubelt: Die vor postmodern-barocker Spiellust überbordende Inszenierung von Händels Xerxes – eigentlich Serse und eigentlich durchgängig auf Italienisch. Aber bei dieser Version werden viele ungeschriebenen Gesetze heutigen Musiktheaters auf den Kopf gestellt und dies mit so viel Witz und Brillanz, dass es dann auch nicht wirklich verwundert, dass gut 80 Prozent des Textes auf Deutsch gesungen werden. Stefan Herheim hat es in seiner Interpretation, die zugleich eine wunderbare Parabel auf die längst vergangene Opernwelt des Barocktheaters ist, geschafft, einen aus der Zeit gefallenen Stoff zu bester Unterhaltung zu transformieren. Die Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin hatte 2013 in Düsseldorf Premiere.

Herheim gelingt es, den mit Patina überwucherten Bühnenzauber barocken Theaters wieder lebendig werden zu lassen, dem Werk keine großen Zwänge anzutun und dennoch nicht in ein naives Museumstheater zu verfallen. Der Trick: Das Londoner King’s Theatre wird zur Kulisse für eine Oper über die Oper. Dabei gibt es alles das, was in heutigen Inszenierungen eigentlich oft verpönt ist. Echte – herrlich kitschige – gemalte Kulissen (Heike Scheele), opulente historisch anmutende Kostüme (Gesine Völlm), viele handgemachte Effekte, die fast anrührend nostalgisch wirken, ins Deutsche umgedichtete Texte, große theatralische Gesten und natürlich dürfen Statisten in Tierkostümen nicht fehlen. All das mit viel Augenzwinkern und durchaus auch mit reichlich Klamauk.

Kulminationspunkt, vielleicht sowas wie ein Schlüssel für Herheims Ansatz und Schnittstelle zwischen Damals und Jetzt: Nachdem die so liebevoll bemalten Kulissenteile umgedreht werden, erscheint dort illuminiert zunächst „XERXES“ und wird Schritt für Schritt in das Anagramm „SEX REX“ oder vice versa umgestellt. Und darum geht es im Grunde auch in Händels Xerxes; um die Gelüste eines Königs und die drum herum gestrickten Verwicklungen. Daher darf es auch, ja muss es frivol werden.

Doch ist die eigentliche Handlung der Oper in die Szenerie der Theaterwelt zu Händels Zeiten eingebettet, wunderbar verdeutlicht durch eine Drehbühne, die Blicke auf den barocken „Backstage-Bereich“ eröffnet. Diese Metaebene verschafft der Inszenierung Würze.

Schließlich am Ende, als der Chor, wie Besucher eines Museums in Straßenkleidung in die Welt des barocken Spektakels einbricht und die Protagonisten wie verschreckte, eingeschüchterte Vampire, denen man Sonnenlicht zumutet, zurückschrecken, dekonstruiert sich die Oper selbst. Doch diese Auflösung ist dauernd immanent. Die letzte „echte“ Barockoper der Welt gibt am Ende auf.

Der Abend lebt auch von der überzeugenden musikalischen Umsetzung. Das Solisten-Ensemble meistert den Spagat zwischen werktreuer Interpretation und den Notwendigkeiten von Herheims Regie mit Bravour. Besonders glänzen kann die für den erkrankten Countertenor Valer Sabadus eingesprungene Mezzo Stephanie Houtzeel. Doch auch Terry Wey als Arsamene Katarina Bradic (Amastre), Ariodate Torben Jürgens, Romilda als Heidi Elisabeth Meier, Anke Krabbe (Atlanta) und Hagen Matzeit als Elviro gestalten sowohl gesanglich als auch schauspielerisch mit Hingabe. Von kleineren stimmlichen Schwächen abgesehen. Begleitet werden sie – stilecht mit Kammerton auf 415 Hz gestimmt, was übrigens eine Herausforderung für Sänger ist – von der Neuen Düsseldorfer Hofmusik unter der Leitung von Konrad Junghänel. Ihm gelingt es sein Ensemble trotz vollumfänglich historisch orientierter Ausrichtung, erstaunlich eingängig und leicht verdaulich klingen zu lassen. Niemals drängt man sich in den Vordergrund, begleitet im besten Sinne das Bühnengeschehen. Dies für alle sichtbar, denn der Orchestergraben ist nahezu ganz hochgefahren und gestattet die Musiker auch mal Teil des illustren Bühnenspiels werden zu lassen.

Neben den Aufführungen am 19., 23., 26., 29 oder 31. Januar gibt es einen Livestream am 29. Januar auf Operavision.