Fotografie Der fotografierende Arzt

Düsseldorf · Düsseldorfer Mediziner Georg Goldstein dokumentierte den Alltag in Palästina und im neu gegründeten Israel.

Das Flüchtlingsschiff „Tiger Hill“ steuert 1939 auf die Küste von Tel Aviv zu.

Foto: Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte/Georg Goldstein

Zwei Männer, die in der Hitze von Haifa mit Presslufthammer ins Gestein bohren, um ein Haus zu bauen. Menschenmassen, die am Strand von Tel Aviv beobachten, wie ein Flüchtlingsschiff auf die Küste zusteuert – viele der Passagiere schwimmen durchs Mittelmeer ans palästinensische Ufer, um Unterschlupf im britischen Mandatsgebiet zu finden. Ein Mann, der auf seinem Kamel durch eine Straße in Tel Aviv reitet, während ihn ein Auto überholt. Ein israelischer Soldat, der während des Krieges gegen die Araber mit seiner Flugabwehrkanone nach Feinden Ausschau hält. Eine Wohnsiedlung im Bauhaus-Stil: weiße und kantige Kuben mit Balkonen.

Der Düsseldorfer Arzt Georg Goldstein hat mit seiner Kamera den Alltag in Palästina und im neu gegründeten Staat Israel festgehalten. Von den 1930er Jahren bis in die 1950er Jahre. Schwarzweiß-Aufnahmen, die Goldstein mit seiner Kodak-Kamera schoss – zufällig, nicht inszeniert, mit gutem Gespür für den richtigen Moment, mit gutem Blick für Komposition. Straßenfotografien in bester Manier, die Aufschlüsse liefern über eine Zeit des Abbruchs und Aufbruchs. 99 Fotos erzählen nun in der Mahn- und Gedenkstätte „Goldsteins Traum. Von Düsseldorf ins gelobte Land“ – so haben die Kuratorinnen Hildegard Jakobs und Andrea Ditchen ihre Ausstellung genannt. Mit den Lichtbildern verknüpft ist die bewegende Biographie des fotografierenden Zeitzeugen Georg Goldstein.

Sommerliche Nachmittagshitze über Haifa, festgehalten von Georg Goldstein im Jahr 1948.

Foto: Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte/Georg Goldstein

Goldstein fotografiert privat, aber auch in seiner Arzt-Praxis

Goldstein wird am 23. August 1898 in Proskurow (damals Russland, später Ukraine) geboren, zieht 1907 mit seiner Familie nach Deutschland. Er studiert in Frankfurt am Main und in Bonn Medizin und lässt sich 1930 – mittlerweile ist er deutscher Staatsbürger – als Internist in Düsseldorf an der Pempelforter Straße 11 nieder. In seiner Freizeit, aber auch im beruflichen Alltag fotografiert er exzessiv. Er macht etwa Aufnahmen von Operationen und verfügt über ein Labor und Apparate fürRöntgendiagnostik. Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, ändert sich Goldsteins Leben fundamental. Die Machthaber entziehen ihm die Kassenzulassung, von jetzt an darf Goldstein nur noch jüdische und selbstzahlende Privatpatienten behandeln. Zudem wird am 16. Januar 1934 seine Einbürgerung widerrufen. Als „Staatenloser“ muss er sich eine neue Heimat suchen. Goldstein sieht seine Zukunft in Palästina, emigriert 1936 dorthin. Er ist Zionist, befürwortet einen jüdischen Nationalstaat im damaligen britischen Mandatsgebiet. In Düsseldorf engagiert er sich für die zionistische Ortsgruppe. 1937 lässt Goldstein sich als selbständiger Privatarzt in Tel Aviv nieder. Permanent dokumentiert er mit seiner Kamera den Alltag in Palästina bis zur Gründung Israels: die legale Einwanderung, die aus Sicht der Briten illegale Einwanderung, die Massenimmigration. Auch Architektur nimmt der fotografierende Arzt ins Visier: die historischen Bauten des Tel Aviver Stadtteils Jaffa, zugleich die modernen Bauhaus-Siedlungen, die Tel Aviv zur „weißen Stadt“ machen. Aber auch die Konflikte zwischen Arabern und Juden.

Schlussendlich erfüllt sich Goldsteins Traum vom gelobten Land nicht. Er leidet unter dem subtropischen Klima, unter der Dominanz der sozialistischen Mapei-Partei, unter der Macht der Gewerkschaft Histadrut, die auch die größte Krankenkasse stellte, die Krankenversorgung  und Teile der vergesellschafteten Industrie organisierte. Also kehrt er 1953 nach Düsseldorf zurück, eröffnet erneut eine Praxis für Innere Medizin und bleibt dort bis zu seinem Tod 1980.

„Goldsteins Traum. Von Düsseldorf ins gelobte Land – eine fotografische Annäherung“, bis 13. Oktober in der Mahn- und Gedenkstätte, Mühlenstr. 29. Mehr Infos im Netz unter: