Lesung Mirko Bonné und Durs Grünbein in Düsseldorf: „Dichtung ist Landnahme“
Düsseldorf · Am Mittwochabend war die außergewöhnliche poetische Begegnung von Mirko Bonné und Durs Grünbein im Onomato Künstlerverein.
Eine ganz besondere Veranstaltung hatte Frauke Tomczak zum Abschluss ihrer aktuellen Lyrikreihe „Poetische Begegnungen“ angekündigt. Und es war wohl ein Glücksfall, zwei derart prominente Dichter mit prall gefüllten Vorlese-Kalendern für dieses Treffen zusammenzubringen. Schnell besetzt waren daher am vergangenen Mittwochabend auch die engen Stuhlreihen im Onomato in der Birkenstraße; nur die erwarteten Studierenden waren ausgeblieben. Es seien ja Semesterferien, äußerte Durs Grünbein entschuldigend; als sei dieses ein Status mentalen Permafrostes. Seit 2005 lehrt er als Professor für Poetik an der Kunstakademie Düsseldorf.
Durch und durch Profis präsentierten beide in abwechselnden Blöcken eine pointierte Auswahl ihrer Gedichte. Mirko Bonné, der als preisgekrönter Autor und Übersetzer in Hamburg lebt, las unter anderem aus dem neuen Band „Wimpern und Asche“, Durs Grünbein, der zwischen Rom und Berlin pendelt, aus seinem von der Kritik hochgelobten Band „Zündkerzen“. Man merkte beiden einen zunehmenden Spaß an der Sache an, die vor allem durch das von Tomczak moderierte Gespräch zwischen den Lektüre-Blöcken an Fahrt aufnahm. Wertschätzung, Wortschöpfung, Witz und widerständiger Weltschmerz flossen an diesem Abend wunderlich ineinander.
Poesie und Klimawandel – passt das zusammen?
Bonnés Gedichte widmen sich der Darstellung der Schönheit sowie der Zerstörung unserer Welt. Landschaft ist für ihn ein zentrales sprachmusikalisches Thema. Mit biographischen Gedichten nähert er sich mal verschmitzt, mal in sich gekehrt der Darstellung historischer Figuren, so Richard III. oder auch einem New Yorker Zollinspektor. Als Beispiel seines poetischen Erzählens überzeugte die knappe Schilderung eines Postkartenbildes mit dem betrunkenen William Faulkner und seinen Hunden. Aber auch aktuelle Fragen wurden angesprochen. Kann man sich dem Klimawandel poetisch nähern? Lässt sich die allgegenwärtige Verseuchung durch Plastikverschmutzung und Müll überhaupt noch jenseits der Poesie ertragen?
„Zündkerzen sind Dinge, keine Ideen und erst recht keine Konzepte“, heißt es im Klappentext zum gleichnamigen Gedichtband von Durs Grünbein. „Es kamen die Eiszapfendiebe, Sie brachen den Wörtern die Spitze ab“, liest er aus „Rohe Eier“. Grünbein faszinierte nicht nur mit bildreichen Traumstücken, Redepartikeln und Prosagedichten, einer warmen und wandlungsfähigen Stimme, sondern ebenso mit zündenden Thesen über die Dichtung allgemein.
Vor allem dem überzeitlichen Wahrzeichen Roms, der Pinie, widmete er mehrere Stücke. Seit die Fünf-Sterne-Bewegung Rom verwaltet, blüht botanische Verwahrlosung. Viele alte Bäume wurden bereits gefällt, da ihre Erhaltung zu teuer sei. „Dichtung ist Landnahme“, so der vielreisende Grünbein, „Ihr Geheimnis: über kürzeste Wege durch Zeit und Raum springen zu können“. Ob sie wütender werden müsste, die Dichtung, hätte ich den engagierten Dichter gerne noch gefragt.